Dienstag, 17. Juni 2025

Tag 38 - Stornoway: Tweed, Schach und Geschichte

Wir bauen heute die Fahrräder auf, damit wir uns in der Hauptstadt etwas umschauen können. Unser erste Weg führt in die Tourist Information, wo wir sehr nett von einer jungen deutschen Dame beraten werden. Sie empfielt eine Führung zur Tweed-Herstellung im Story Room der "Harris Tweed Authority" gleich um die Ecke in der Town Hall.
Eine Weberin erklärt uns die verschiedenen Arbeitsschritte: Die Rohwolle (die nicht von hier stammen muss) wird auf den Inseln "in der Wolle" gefärbt. Die verschienen Farben werden je nach gewünschtem Ergebnis gemischt und dann erst in einer der drei offiziellen Mühlen gesponnen. Etwa 170 Weber stellen dann bei sich daheim (das ist wichtig) die Stoffe nach verschiedenen Mustern her.
Früher wurden dazu große Webstühle aus Holz mit Schiffchen verwendet. Ich erinnere mich noch, so einen auf Juist im Webergaden in Aktion gesehen zu haben.
Als die Nachfrage nach den Stoffen stieg, wurden Webstühle aus Gusseisen entwickelt. Von diesen sind noch etwa 20 in Betrieb, aber es wird schwierig, Ersatzteile zu bekommen. Hier gab es schon Hilfsmittel für die Muster in Form von gelochten Metallplatten. Ein Buch zeigt die Inspiration von Naturfarben für Stoffe.
Die Mehrzahl der Weber (und Weberinnen) verwendet eine moderne Version, die durch Pedale angetrieben wird.
Es gibt eine Art Lochkarte für Muster und die Fäden müssen nicht in ein Schiffchen gewickelt werden, sondern laufen direkt von der Rolle in die Maschine. Ein komplexer Vorgang ist der Wechsel von einem Muster zu einem anderen, bei dem über 1500 Kettfäden einzeln per Hand verknotet werden müssen (siehe unten rechts).
Die Harris Tweed Authority überwacht die Einhaltung der Regeln für den Prozess, stempelt die fertige Ware und geht gegen Plagiate vor. Nach diesen Einblicken in die Tweed-Herstellung und einem kurzen Mittagessen fahren wir mit den Rädern um den Hafen zum Lews Castle. Es wurde in den 1840er Jahren von Sir James Matheson erbaut, der im chinesischen Opium-Handel reich geworden war und die ganze Insel Lewis erworben hatte. Es ist leider heute nicht zu besichtigen, weil dort eine Hochzeit gefeiert wird. Aber wir können das angeschlossene Museum besuchen.
Das gesamte Museum ist zweisprachig mit Gälisch als Haupsprache und englischen Untertiteln. Eine große Wand ist den Menschen der Inseln (der äußeren Hebriden) gewidmet, die aus den verschiedenen Bereichen ihres Lebens erzählen. Zu beginn gibt es einen Raum, in dem die verschiedenen Landschaften auf drei Wände projeziert werden. Wir können ein aus Tweed gefertigtes Brautkleid bewundern und ein ganze Raum beschäftigt sich mit der Auswanderungsgeschichte.
Und dann sind da natürlich die berühmten "Lewis Chessmen", wunderschön und detailreich aus Walrosselfenbein geschnitzte Schachfiguren, die im 19. Jahrhundert hier auf der Insel gefunden wurden und aus der Wikingerzeit um 1200 stammen (siehe auch Titelbild).
Danach gibt es noch Kaffee und Kuchen im Museumscafé und wir fahren am sehr großen und gut sortierten Tesco vorbei, um etwas zum Abendessen zu kaufen und kehren dann sehr zufriden aufs Boot zurück. Unterwegs fotografieren ich den Fischer und die Heringsfrau am Hafen.
Der schöne Tag mit typisch abwechslungsreichem Wetter endet mit einem Regenbogen über dem Hafen.

Montag, 16. Juni 2025

Tag 37 - Tarbert-Stornoway: Schnell unterwegs

Heute morgen stimmt der Wind und um 8:00 Uhr geht es los, immer an der Küste entlang von Tarbert auf der Isle of Harris nach Stornoway auf der Isle of Lewis. Wie gut zu sehen ist, handelt es sich tatsächlich geografisch um eine Insel.
Tarbert war der westlichste Punkt unserer Reise - nun geht es nach Norden und nach Osten. Heute kommt der Wind aus Südwesten und beginnen wir die Fahrt zunächst mit beiden Segeln auf der linken Seite des Bootes.
Währen wir aus der Bucht fahren, sehen wir neben uns eine große Anzahl von Seevögeln, darunter viele Basstölpel, die gut an ihrer Größe, ihren gelblichen Köpfen und ihren schwarzen Flügelspitzen zu erkennen sind. Sie stürzen sich wie Geschosse aus größerer Höhe ins Wasser. Und dann sehen wir auch mehrfach kurz die Rückenflosse eines Wals - wahrscheinlich ein Minkwal - leider zu kurz und zu weit entfernt, um ihn auf ein Foto zu bekommen.
Auf den Bergen der Insel neben uns liegen Wolkenfelder und das grau in grau erzeugt eine ganz besondere Stimmung.
Nach und nach ändern wir unseren Kurs nach Nordosten und das bedeutet, das der Wind jetzt von hinten kommt und wir das Vorsegel ausbaumen müssen, damit es nicht im Windschatten des Großsegels ist. Außerdem wird der Wind immer stärker und wir binden ein Reff ein (siehe Titelbild). Bei uns funktioniert das, ohne den Kurs ändern zu müssen. Der Küstenlinie folgend ändert sich dann der Kurs noch einmal nach Norden und wir halsen. Bei dem Manöver kommt der Baum wieder auf die andere Seite. Wir bauen auch den Ausbauer um.
Wie sich herausstellt ist das aber gar nicht erforderlich. Insgesamt kommen wir sehr gut und schnell voran. Die Triton fährt Höchstgeschwindigkeit und der Tidenstrom hilft kräftig mit, so dass wir in Rekordzeit die Einfahrt nach Stornoway erreichen. Hier steht wieder ein netter Leuchtturm.
Gleich am Hafen sehen wir schon Lews Castle, ein neogotisches Schloss aus der viktorianischen Zeit.
Wir kontaktieren den Hafen per Funk und bekommen eine Box zugewiesen. Das ist gut, denn heute Nacht wird Starkwind bis Sturm erwartet. Hier müssen wir zum ersten mal Anmeldepapiere ausfüllen. Wir sind sehr zufrieden mit dem schönen und schnellen Segeltag und beschließen heute erst mal etwas zu entspannen während es draußen regnet und stürmt. Morgen wollen wir uns den Ort und die Insel ansehen.

Sonntag, 15. Juni 2025

Tag 36 - Tarbert: Arbeiten an Bord

Eigentlich wollten wir heute eine Bucht weiter nach Norden segeln. Aber der Wind ist vormittags schwach und nachmittags ist der Strom ungünstig. Morgen sieht es besser aus. Also ändern wir unsere Pläne und bleiben heute hier. Lewis&Harris haben eine calvinistische religiöse Traditon und daher ist am "Sabbath" nahezu alles geschlossen. Bis 2002 gab es keinen Flugverkehr und bis 2009 fuhren keine Fähren. Bis heute gibt es keine Sonntagszeitungen. Die Fähre kommt am Abend tatsächlich (siehe Titelbild), aber sonst ist hier nicht viel los. Wir widmen uns daher unseren diversen To-Do-Listen. Ralf hilft mir, meine zu lange Segelhose zu kürzen und ich nähe neue Klettbänder an die Knöchel.
Wir haben die Poster umgedreht (daher im Bild oben gelb), um sie mit Willi, unserem Heizlüfter zu trocknen und anschließend werden die Betten neu bezogen. Auch sonst widmen wir uns häuslichen Aufgaben: saugen, Bad putzen, Brownies backen, Schokoladenpudding kochen und mal wieder eine Maschine Wäsche waschen und falten.
Auf der Fahrt nach Tarbert haben wir zum ersten mal in dieser Saison unsere Windselbststeueranlage "Sir Henry" eingesetzt. Nach mittlerweile acht Jahren ist der Überzug durch das UV-Licht ausgeblichen und so dünn geworden, dass er mehrfach gerissen ist.
Wir haben Ersatz dabei und die Herausforderung ist es, den neuen Bezug über den Rahmen zu ziehen und unten zu spannen. Wir probieren Spüli auf dem Rohr als Gleitmittel, haben aber erst Erfolg durch meine Erfahrungen im Anziehen von orthopädischen Strümpfen: mit gummierten Handschuhe schaffen wir es, die Falten herauszubekommen. Zum Schluss noch verschnüren, die Enden der Schnur abschneiden um umbrennen - geschafft!
Weil ich mein Nähzeug sowieso ausgepackt habe, stopfe ich noch meine Strümpfe und nähe die hinteren Taschen wieder an Ralfs Arbeitshose - ein gutes Gefühl, einiges von der Liste geschafft zu haben!
Nun ist für morgen ein früher Aufbruch und dann gleich die Fahrt zur Inselhauptstadt Stornoway geplant. Um 7:20 Uhr legt die Fähre ab und um 7:45 Uhr soll es bei uns losgehen, um die Strömung nach Norden optimal zu nutzen.

Tag 35 - Harris: Es geht an den Strand

Auf der To-Do-Liste für diesen Sommer stand auch der Punkt: für Ralf auf Harris eine Weste aus dem berühmten Tweed kaufen. Sehr praktisch: gleich hinter der erst seit 2015 bestehenden Distillerie ist der entsprechende Shop. Funfact: in den ersten acht Jahren kann eine Whisky Brennerei nichts verkaufen, da der Whisky erst in den Fässern gelagert werden muss.
Im Shop gibt es nahezu alles aus Harris Tweed. Damit der Stoff diese Bezeichnung tragen darf, muss er die folgenden Bedingungen erfüllen: „Harris-Tweed ist ein von den Insulanern von Lewis, Harris, Uist und Barra in ihren Heimen handgewebter Stoff aus reiner Schurwolle, die auf den Äußeren Hebriden gefärbt und versponnen wurde.“ Die Wolle selbst muss also nicht von den Inseln stammen.
Ralf findet eine sehr nette Weste und ich suche mir eine Ansteckblume aus. Dann geht es weiter zum nächsten Programmpunkt. Die nette Hafenmeisterin hat einen Ausflug mit dem Bus nach Leverburgh an der Südseite der Insel empfohlen. Diesmal ist es ein öffentlicher Kleinbus, der wieder im absoluten Rekordtempo über die einspurigen Straßen saust. Als erstes haben wir einen sehr guten Blick auf die Triton und den Anlegesteg.
In diesem Gebiet ist die Insel sehr hügelig und baumlos. Durch die stark gegliederte Küste öffnen sich immer wieder Aussichten auf Wasserflächen.
Am Straßenrand grasen furchtlose Schafe, die von dem Verkehr völlig unbeeindruckt sind.
Der Bus hält auf Zuruf an jeder beliebigen Stelle der Route an und der Fahrer "Malcom" wird von "Maggie" daran erinnert, dass er vergessen hat, sie abzusezten. Daraufhin fährt er eben einfach ein Stück rückwärts.
Sonst gibt es zunächst nur wenige Häuser und auch Boote in den Buchten sind eher die Ausnahme.
Erst in Rodel an der Südostecke der Insel ist etwas mehr los. Hier steht auch die St Clement's Church, die Alasdair Crotach MacLeod, der achte Chief des Clans MacLeod (den wir schon auf Skye getroffen haben) Anfang des 16. Jahrhunderts hier erbauen ließ.
So kommen wir nach einer abwechslungsreichen Fahrt gut in Leverburgh an. Mit uns im Bus ist ein nettes kanadisch-schweizerisches Paar, die auch mit ihrem Boot im Hafen liegen.
Leverburgh selbst ist ziemlich übersichtlich. Im wesentlichen gibt es hier eine kleine Brauerei, die auch Essen verkauft (wir bekommen dort einen netten Mittagsimbiss) und den Fähranleger zur Nachbarinsel Uist.
Auf dem Hinweg sind wir an der Ostküste entlang gefahren, aber für den Rückweg geht es auch der Süd- und Westküsten entland. Hier ist die Landschaft lieblicher und es grasen viele Schafe am Fuß der Berge.
Das Wasser bildet hier ganz andere Strukturen, die wie viele kleine Inseln aussehen.
Wir haben gehört, dass es auf Harris sehenwerte Strände gibt und die Hafenmeisterin hat uns geraten, den Bus anzuhalten und uns dort umzusehen, aber wir sind dann doch von dem Anblick der weiten Sandflächen und es türkisfarbenen Wassers überrascht.
Wir steigen aus und dann geht es zu einem Spaziergang an den sehr einladend aussehenden Strand.
Ralf macht noch ein Foto von einem netten Paar, die sich mit ihren Campingstühlen erst ans und als die Flut kommt eher ins Wasser gesetzt haben (siehe Titelbild) und läuft dann mit dem netten Seglerpaar weiter bis zum nächsten Strand (Foto von Ralf).
Ich suche mir einen netten Sitzplatz, genieße die Wärme (20 Grad!) und den Ausblick, höre einen Krimi, der auf der Insel spielt und stecke die Füße in Wasser und Sand.
Dann stelle ich mich wieder an die Straße, um dem nächsten Bus zu winken, er hält auch lieb, um mich mitzunehmen. Am nächsten Strand sammelt er dann die drei Wanderer ein und später auch noch eine Gruppe von Östereichern, die mit ihrem Charterschiff auch hier im Hafen liegen. So kommen wir gut wieder zurück nach Tarbert. Vermutlich war dieser warme und sonnigen Tag eine Ausnahme, aber wenn das schottische Wetter wieder zuschlägt, ist Ralf mit seiner neuen Tweed-Mütze gut gerüsten.

Samstag, 14. Juni 2025

Tag 34 - Rona-Tarbert (Harris): Weiter nach Westen

Nach dem ruhigen Abend kommt in der Nacht der vorhergesagte kräftige Südwind und pfeift im Rigg. Um kurz nach Neun machen wir uns auf den Weg weiter nach Westen zur nächsten Insel. Es geht zu den äußeren Hebriden, nach Lewis&Harris. Das ist eigentlich nur eine Insel, die aber aus historischen Gründen geteilt ist. Wir haben uns einen Hafen im südlichen Teil, der Isle of Harris, ausgesucht.
Südwind bedeutet, dass wir Wind schräg von hinten bzw. von der Seite haben, ein günstiger und schneller Kurs für die Triton. Über dem Land hängen Wolken, aber hier auf dem Wasser scheint die Sonne (siehe Titelbild) und wir haben Spaß. Ausßer uns sind nur wenige Boote unterwegs und wir treffen nur einen Fischer und ein großes Kreuzfahrtschiff.
Vor der Einfahrt in die Bucht liegt noch eine Insel, auf der ein sehr nette klassisch rot-weißer Leuchtturm steht.
Nun müssen wir noch unter einer Brücke hindurch - 19 m Durchfahrthöhe passt für uns, auch wenn es beim darauf zufahren nicht so aussieht.
So kommen wir gut in Tarbert auf Harris an. Wir haben uns etwas gewundert, weil wir dem Namen Tarbert immer wieder begegnen. Wir lernen, dass das Wort aus dem Gälischen kommt und "Isthmus", also Landenge bzw. schmale Landbrücke bedeutet. So etwas gibt es auf vielen Inseln oder Halbinseln und daher kommt die Bezeichnung immer wieder vor. Wir bekommen den letzen Platz am Steg und werden von der Hafenmeisterin freundlich begrüßt. Direkt neben uns ist der Fährhafen, bei dem eine richig große Fähre anlegt.
Sonst ist hier auf den ersten Blick nicht besonders viel los, aber das werden wir morgen herausfinden - wir sind gespannt!