Montag, 30. April 2018

Zwischenbilanz 300 Tage

Wir sind nun 300 Tage an Bord und haben ungefähr 3/4 unseres Sabbaticals hinter uns. Es ist wieder Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wir haben die gleichen acht Fragen, die ich nach 100 (siehe hier) und 200 (siehe hier) Tagen gestellt hatte, diesmal für die Zeit vom 20.01.2018 bis 29.04.2018 unabhängig voneinander beantwortet. Wir haben in den letzten 100 Tagen die Strecke von Martinique über Grenada nach Virgin Gorda (BVI) zurückgelegt.

Was hat dir am besten/am wenigsten gefallen?

Ralf:
Am besten gefallen:
Die Fahrten mit den Kleinbussen waren ein absoluter Hochgenuss. Immer knallvoll, laute Raggae-musik, die Fahrer rasen wie der Henker, die Hupe ist das wichtigste Kommunikationsmittel. Wer bremst, verliert. Gelassene, gut gelaunte Mitfahrer, preisgünstig, flexible Abfahrtzeiten, Haltestellen und Routen. So macht der öffentliche Personennahverkehr Spaß.

Auf den Inseln mit hohen Bergen gibt es viele Flüsse mit Wasserfällen. Sie liegen landschaftlich sehr schön im Regenwald. In deren Pool kann man schwimmen. Es ist wunderbar temperiertes Süßwasser, ein Luxus für uns Segler.

Überall laufen Hühner herum. Häufig ein Hahn mit seinem Harem samt Nachwuchs. Wir wissen nicht, ob sie jemandem gehören, wer die Eier einsammelt oder ob sie irgendwann auf dem Grill landen werden. Auf jeden Fall sind sie alle top in Schuss und ich habe sie gerne beobachtet. Besonders die Hennen mit ihrem zahlreichen Kücken haben mich mich oft zum Lachen gebracht.

Weniger gefallen:
Die Inseln im Norden sind schwer von zwei Hurricanes getroffen worden. Die Schäden sind gewaltig. Ich hatte erwartet, dass die Aufräumarbeiten schon weiter fortgeschritten  sind. Zum Teil sieht es so aus, als sei der Sturm letzte Woche über die Insel gefegt. Das möchte der Tourist natürlich nicht sehen...

Viele Produkte und Dienstleistungen sind sehr teuer. Leider steht die Qualität in keinem Verhältnis zum Preis. Ich hatte deshalb häufig keine Lust, für einen lustlos gemixten Drink oder ein mittelmäßiges Sandwich Geld auszugeben.

Cosima:
Positiv: Nette Begegnungen und gute Gespräche mit anderen Seglern und Einheimischen, Schwimmen und Schnorcheln im angenehm warmen Wasser (das wird mir fehlen). Erkundungstouren über die Inseln, insbesondere mit Quad oder Golfcart. Hop-On-Hop-Off-Busse. Besonders in Erinnerung bleibt die Verfolgungsfahrt in Grenada, um Ralfs verlorenes Portemonnaie wieder zu bekommen.

Weitere Highlights waren für mich die Botanischen Gärten auf Martinique und St. Croix, das Barbecue mit Steelband und Sonnenuntergang in Antigua, Baden in verschiedenen Wasserfällen und Naturpools auf Grenada und Guadeloupe, das unglaublich türkise Wasser in den Tobago Cays, Antigua oder Anegada. Seit Martinique segeln wir in den „Leeward Islands“ und dass bedeutet, schöne und schnelle Überfahrten zwischen den Inseln. Überhaupt ist der Wind hier sehr zuverlässig und wir haben nur wenige Motorstunden gesammelt.

Negativ: eigentlich wenig, 5 Grad weniger könnten nicht schaden… und ich würde gerne besser und schneller laufen und körperlich arbeiten können.


Was war die gefährlichste Situation?

Ralf:
Gefährliche Situationen gab es in diesem Abschnitt der Reise nicht.

Cosima:
Wirklich gefährliche Situationen hatten wir nicht. Unangenehm fand ich, als sich in einer Bucht in Grenada ein großer Katamaran von einer Mooring losgerissen hatte und auf uns zutrieb. Ist aber alles gutgegangen. Allerdings lassen wir seitdem immer das Steuerrad am Platz (sonst hatten wir es manchmal entfernt, um mehr Raum in Cockpit zu haben)…

Und dann war da auch noch die Sache mit unserem Anker, der sich unten in einem Wrack verfangen hatte. Nicht gefährlich, aber schon aufregend, bis der nette Taucher Didier uns wieder befreit hatte.


Hast du etwas getan, was du vorher noch nie getan hast?

Ralf:
Wir waren an verschiedenen Stellen schnorcheln. Das habe ich vorher noch nicht gemacht. Die Unterwasserwelt hat mich zum Teil so gefesselt, dass ich erst aus dem Wasser gegangen bin, als ich zu frieren anfing. Besonders Buck Island war beeindruckend, weil ich eine ganze Zeit in einem Fischschwarm geschwommen bin. Die Kerle hatten keine Angst.

Cosima:
Wieder haben wir natürlich zahlreiche Inseln besucht, auf denen ich nie zuvor gewesen bin: Grenada, SVG, Guadeloupe, Antigua, St. Martin, USVI, BVI… Beim Schnorcheln habe ich wunderschöne Unterwasserlandschaften und eine große Vielfalt von Fischen erlebt – und es gab frische Pizza von einem Pizza-Boot!


Wie unterscheidet sich das, was du erlebt hast, von deinen Erwartungen?

Ralf:
Meine Erwartungen an die Karibik waren nicht besonders hoch. Aber in den letzten Wochen habe ich das Revier schätzen gelernt. Wir haben das Ankern für uns entdeckt und die Abende im Cockpit werde ich bestimmt nie vergessen. Es ist angenehm warm, über mir ist der Sternenhimmel und ich höre mit dem Kopfhörer Musik oder lese.

Auch das Segeln macht hier wirklich Spaß. Immer Wind, immer aus östlicher Richtung, keine Tide, kein Wettergeschehen. So einfach kann segeln sein.

Ich hatte die Karibik gleichförmiger erwartet und befürchtet, dass mir die Zeit lang werden könnte. Aber die Inseln sind sehr unterschiedlich. Ein Segeltag bringt mich in eine andere Welt. Das macht den Aufenthalt hier sehr kurzweilig. Am Anfang brauche ich einen Moment, um mit der neuen Umgebung warm zu werden. Aber nach den ersten Erkundungen mit dem Bus oder einem Sightseeing-Taxi bin ich meistens beeindruckt von der speziellen Schönheit der Insel. Ganz wichtig sind die Einwohner. Wie empfinde ich ihre Ausstrahlung? Bis auf eine Ausnahme habe ich mich auf allen Inseln sehr wohl gefühlt.

Cosima:
Ich hatte ehrlich gesagt erwartet, dass die Karibik nicht so mein Ding ist. Ich habe Städte- und Kulturreisen lieber als Strandurlaube und erwartete, dass mir die Hitze zu schaffen macht und dass ich nicht gut damit zurechtkomme, dass die Menschen wesentlich ärmer sind als wir. Ich hatte auch Bedenken wegen der Sicherheit an Bord.

Es hat sich dann herausgestellt, dass es „die Karibik“ nicht gibt und dass jede Insel ganz unterschiedliche Schwerpunkte hat und sich ganz unterschiedlich anfühlt. Die französischen Inseln gehören zu EU und sind entsprechend europäisch. Die ehemaligen englischen Kolonien, die jetzt fast alle unabhängig sind, haben das unterschiedlich gut hinbekommen. Am ursprünglichsten ist sicher Dominika.

Wir haben St. Vincent und St. Lucia diesmal ausgelassen (wegen Sicherheitsbedenken und Berichten von befreundeten Seglern und aus dem Internet) und auf den anderen Inseln habe ich mich immer sicher und gut gefühlt. Die Menschen waren überwiegend sehr freundlich, höflich und hilfsbereit.

Ich war absolut entsetzt über die Zerstörungen durch die Hurrikane Irma und Maria, insbesondere auf Dominika, St. Martin/Sint Maarten, den US-Virgin Islands und den British Virgin Islands. Auch sechs Monate nach den Stürmen sind noch sehr viele Aufräumarbeiten zu erledigen, gar nicht zu reden von den nötigen Reparaturen. Dadurch, dass viele Hotels und Geschäfte noch geschlossen sind, wird auch kein Umsatz gemacht und dadurch wird es wieder schwieriger, Geld für die Reparaturen zu verdienen. Die Inseln werden Jahre brauchen, um sich zu erholen, aber die nächste Hurrikan-Saison steht schon wieder vor der Tür…


Was würdest du rückblickend anders machen?

Ralf:
Unsere Zeit in der Karibik war für mich ein voller Erfolg und ich würde die Reise im Prinzip wieder so machen.

Cosima:
Da fällt mir auch bei längerem Überlegen nichts Wesentliches ein. Im Gegenteil, ich bin froh, dass wir unsere Pläne mehrfach spontan geändert haben und dadurch sehr schöne Erlebnisse hatten.


Was würdest du nicht mehr mitnehmen/auf jeden Fall mitnehmen?

Ralf:
Ich würde alles wieder so mitnehmen.

Cosima:
Seit dem Englischen Kanal habe ich keine langen Hosen, Socken, langärmlige Oberteile, Jacken, Regensachen etc. mehr gebraucht… Aber ich gehe davon aus, dass das demnächst wieder nötig sein wird. Von meinen Sommersachen habe ich fast nichts verwendet, stattdessen habe ich hier viele leichte Oberteile und preisgünstige Kleider gekauft. Auch die DVDs stehen immer noch nahezu ungenutzt im Regal. Sonst bin ich mit unserer Ausrüstung, was Boot, Elektronik, Ersatzteile, Vorräte angeht sehr zufrieden.


Was vermisst du am meisten (außer Menschen und Kater)?

Ralf:
Ich vermisse im Moment nichts. Ab und zu würde ich mich gerne mit meinen Freunden zuhause treffen. Aber unsere Reise ist endlich, deshalb macht mir das keinen Kummer. In ein paar Monaten sehen wir uns ja wieder.

Cosima:
Jugend, Schönheit und Gesundheit… Sonst habe ich mich wirklich sehr gut an das Bordleben und auch an das Essen gewöhnt. Das Problem mit dem Internet habe ich gelöst, indem ich einfach Datenvolumen von den jeweiligen lokalen Anbietern kaufe und damit gut zureicht komme. Ich werde aber viele Angebote und Möglichkeiten in Deutschland noch mehr zu schätzen wissen.


Was erwartest du für die nächsten 100 Tage?

Ralf:
Mehr Segeln und mehr Kultur.

Cosima:
Als ich mit den 100-Tage-Fragebogen anfing, hatte ich nicht geplant, dass die Abschnitte so gut mit den verschiedenen Abschnitten unserer Reise zusammenpassen würden. Tatsächlich geht unsere Zeit in der Karibik jetzt zu Ende, wir verlassen die Tropen und die Passatzone und machen uns auf den Weg an die amerikanische Ostküste. Ich erwarte wesentlich mehr und unterschiedliches Wettergeschehen, eine ganz andere Welt in den USA, Kanalfahren, Großstädte und Kulturerlebnisse. Ich vermute, dass mir Wetter (kühler) und Landschaft (nordisch) sehr gut gefallen werden.

1 Kommentar:

Unknown hat gesagt…

Haben wir doch immer gesagt: man muss nicht bei 15 Grad segeln, damit‘s toll ist! Und das warme Wasser zum Schwimmen und schnorcheln ist doch wunderbar. Süsswasser Pools haben wir damals nicht erlebt, aber es ging erstaunlich gut mit Salzwasser. Ich glaub sowieso, dass die Leeward Islands noch attraktiver sind als die Bahamas.