Wir sind nun 100 Tage zusammen an Bord, haben grob ein Viertel unseres Sabbaticals hinter uns und es ist Zeit, eine Zwischenbilanz
zu ziehen. Ich habe mir daher acht Fragen überlegt und wir haben diese unabhängig
voneinander beantwortet. Wir haben die Strecke Workum (Niederlande) - Lanzarote (Kanarische Inseln) zurückgelegt.
Was hat dir am besten/am wenigsten gefallen?
Ralf:
Positiv:
Ausrüstung: Die Hydrovane Windselbststeueranlage, von uns
Sir Henry getauft. Zusammen mit der Triton ein Dreamteam. Sie steuert ohne
Energieverbrauch, leise und zuverlässig. Ein angenehmes Crewmitglied.
Segeln: Von Lissabon nach Porto Santo. 500 sm Blauwassersegeln
vom Feinsten.
Konstante Windrichtung und optimale Stärke für unser
Boot. Cosima und ich haben als Crew
einen Rhythmus gefunden, mit dem wir auch problemlos hätten weiter segeln
können.
Land: Keine Auswahl möglich. Wir haben zu viele schöne Orte
besucht.
Leute: Wir haben eine Menge nette Segler kennen gelernt.
Das Konzert der " Sound of the Vikings" war sicherlich ein Höhepunkt.
Negativ: Das Segeln im Englischen Kanal war
kräftezehrend. Kalt, regnerisch und der Wind überwiegend aus der falschen
Richtung - von vorn!
Cosima:
Es gab so viele
unterschiedliche und tolle Erlebnisse, so dass es echt schwierig ist, einen
Favoriten auszuwählen. Segeln nachts unterm Sternenhimmel ist sicher dabei und
auch das unglaublich blaue Wasser des Atlantik. Ich habe manchmal stundenlang
nur den Wellen und den unterschiedlichen Farben des Wassers zugeschaut. Mir hat
es viel Freude gemacht, andere Langfahrtsegler zu treffen und uns
auszutauschen. Und es ist sehr schön, dass Ralf und ich uns so gut verstehen!
Mir gefällt auch,
dass es so abwechslungsreicht ist: wir haben viel eindrucksvolle Natur und
Kultur gesehen, sind Quad, Auto, Dampfzug, Kursschiff, Rad, Beiboot, Segelboot,
Straßenbahn, Zug, Bus und Seilbahn gefahren und auf Kamelen geritten…
Am wenigsten
gefällt mir, dass ich an manchen Tagen nicht so fit bin und nicht so gut laufen
kann, wie ich es mir wünschen würde.
Was war die gefährlichste Situation?
Ralf:
Gefährlich habe ich nichts empfunden. Am längsten hat uns
ein Schiff, das nachts ganz langsam in einem spitzen Winkel überholt hat,
beschäftigt. Cosima hat es über mehrere Stunden beobachtet und es war nicht
klar, ob ein Manöver notwendig ist und wer es ggf. macht. Unser Funkgerät war
kaputt, deshalb konnten wir das Schiff nicht ansprechen. Wir haben als Segler
in freiem Wasser Wegerecht und letztendlich ist uns das Schiff ausgewichen.
Cosima:
Wirklich
gefährliche Situationen haben wir aus meiner Sicht nicht erlebt. Es gab einige,
bei denen bei mir der Adrenalinspiegel erhöht war. Eigentlich immer, wenn Ralf
bei Wellengang auf dem Vorschiff arbeitet, z.B. refft, ausbaumt oder die Bulle
setzt. Auf dem Weg von Porto nach Lissabon waren die Wellen so groß, dass ich
mir überlegt habe, was passiert, wenn wir querschlagen. Wir haben daraufhin die
Steckschotten eingesetzt und uns im Cockpit angeschnallt.
Am unangenehmsten
fand ich die nächtliche Begegnung mit einem Großschiff auf dem Weg von Lissabon
nach Porto Santo. Es war Nacht und unsere Funke und der AIS Empfänger gingen
nicht. Das Schiff kam in einen sehr spitzen Winkel von hinten und wir hatten
ausgebaumt und das Groß festgebunden, so dass wir unseren Kurs nur aufwendig
ändern konnten. Das Schiff fuhr relativ langsam und es war längere Zeit nicht
klar, ob es vor uns vorbeigehen würde. Als wir gerade etwas unternehmen
wollten, hat es dann seinen Kurs geändert.
Hast du etwas getan, was du vorher noch nie getan hast?
Ralf:
Ja. Soviel, dass der Platz nicht ausreicht, um alles
aufzuzählen.
Seglerisch unterscheidet sich dieser Törn grundlegend von
allen meinen bisherigen Segelreisen. Wir fahren nicht mehr an der Küste
entlang, sondern überqueren Teile des Atlantischen Ozeans. Das ist nicht
schwieriger, aber die Zeitspannen auf dem Wasser sind einfach länger.
Cosima:
Ja, jede Menge. Ich
bin noch nie vorher vier Nächte am Stück auf See gewesen. Ich bin noch nie 100
Tage am Stück auf einem Boot gewesen. Ich habe noch nie so lange mit einem
Menschen 24/7 auf ca. 10 qm verbracht. Ab Salcome habe wir nur neue Häfen
besucht. Ich war noch nie in Galicien, Portugal, Porto Santo, Madeira,
Lanzarote. Ich bin noch nie Quad gefahren oder auf einem Kamel geritten.
Wie unterscheidet sich das, was du erlebt hast, von deinen Erwartungen?
Ralf:
Segeln:
Vom Englischen Kanal und der Biscaya abgesehen, ist das
Segeln wesentlich einfacher, als ich es erwartet habe. Es ist um 24 Grad warm,
sonnig und moderat windig. Die Gezeiten spielen keine Rolle mehr. Es gibt kein
signifikantes Wettergeschehen mit schnell wandernden Tiefdruckgebieten, wie ich
es von den nördlichen Breiten kenne. Der Wind kommt i. d. R. aus N-NE,
lediglich die Stärke variiert etwas. Deshalb sind die längeren Überfahrten gut
planbar und frei von bösen Überraschungen. Das Segelrevier von Galicien, die
Rias, haben mir außerordentlich gut gefallen.
Bordleben:
Problemlos wie erwartet. Cosima fotografiert und
schreibt, ich repariere und optimiere.
Cosima:
Es ist viel
schöner, als ich erwartet habe. Erst einmal hatte ich mir den August in
Spanien/Portugal viel wärmer und touristischer vorgestellt. Stattdessen ist das
Wetter meistens wirklich angenehm und der Tourismus ist, außer an sehr großen
Sehenswürdigkeiten, eher moderat. Die Häfen sind nicht überlaufen und wir haben
immer einen Platz bekommen. Porto Santo, Madeira und Lanzarote sind drei sehr
unterschiedliche Inseln, die jeweils ihren eigenen Charme haben.
Ich hatte auch
Bedenken, wegen des engen Zusammenlebens und der Entscheidungsfindung. Aber
bisher verstehen wir uns sehr gut, die Manöver mit dem Boot funktionieren und
wir sind uns einig, was die Planung auf dem Wasser und an Land angeht.
Was würdest du rückblickend anders machen?
Ralf:
Boot:
Wenn ich vor der Abreise auch nur geringste Zweifel an
der Funktionstüchtigkeit eines Bauteils habe, werde ich das Teil zukünftig
austauschen. Sollte es nicht kaputt sein, habe ich ein erprobtes Ersatzteil
dabei. Die Teilebeschaffung im Ausland Ist mühselig, langsam und teuer.
Start:
Unser Abreisetermin diente zur Orientierung und war nicht
verbindlich. Ich habe mich von empfohlenen Zeitplänen der Segelhandbücher
drängeln lassen und nach unserer Abreise noch Ausrüstungsgegenstände eingebaut.
Das kostete unnötig Zeit und Kraft. Ein paar Tage länger auf der Werft und
alles wäre in Ruhe montiert gewesen. Eine Woche später kann man auch noch
problemlos über die Biscaya segeln.
Cosima:
Viel mehr Bücher,
Hörbücher, Filme, Serien und Musik noch zuhause mit schnellem Internet herunterladen.
Mehr Getränke von zuhause mitnehmen bzw. Gefühlt kaufen wir ständig Getränke
ein.
Was würdest du nicht mehr mitnehmen/auf jeden Fall mitnehmen?
Ralf:
Ralf: Meine Schuhe. Seitdem ich in Porto Santo im
Crocs-Laden war, habe ich nur noch diese Schuhe an. Es gibt, neben den
Standard-Modellen, auch Wander- und Segelschuhe. Wozu brauche ich einen
Fersensporn?
Auf jeden Fall würde ich mehr Musik mitnehmen. Die
Nachtwachen sind wunderbare Gelegenheiten zum Musik hören. Der Download im
Hafen ist wegen des langsamen Internets zeitaufwändig, also besser zuhause
alles vorbereiten.
Cosima:
Weniger
geschlossenen Schuhe, Socken und lange Hosen (die habe ich nur in England
gebraucht). Insgesamt weniger Kleidung, denn es gibt überall Waschmaschinen und
es macht auch Spaß, hier etwas Neues zu kaufen. Bisher haben wir auch noch
keine DVD angeschaut, aber das wird sich ja vielleicht auf dem Atlantik ändern.
Sehr gut (und jeden
Tag im Einsatz) ist meine ganze Elektronik samt dazugehörender 12V Ladegeräte:
Smartphone, Tablet, E-Book-Reader, Laptop, Kameras. Bei Kleidung und Schuhen
haben sich Funktionshosen, Leggins, ärmellose Tops, Jeanshemd, Crocs und
Trekkingsandalen am besten bewährt.
Was vermisst du am meisten (außer Menschen und Kater)?
Ralf:
Bis jetzt noch erstaunlich wenig. Ein gutes Essen meiner
Mutter gehört auf jeden Fall dazu. Wenn ich am Boot schraube, wünsche ich mir
meine Werkstatt neben an. Da könnte ich Dinge, die hier Stunden dauern, in
Minuten erledigen.
Cosima:
Schnelles Internet,
schnelles Internet, schnelles Internet. Tanzen und Akkordeonspielen. Ansonsten
am meisten Nahrungsmittel wie z.B. dunkles Brot und Frühlingsquark.
Erstaunlicherweise nicht die Badewanne und das Bidet.
Was erwartest du für die nächsten 100 Tage?
Ralf:
Die Situation wird sich sehr verändern. Wir waren zu
zweit in Europa unterwegs. Jetzt besuchen uns Freunde, Paul kommt sogar mehrere
Monate zu uns an Bord. Wir verlassen Europa und sehen hoffentlich unsere Söhne
in der Karibik wieder, wo wir noch Weile zusammen an Bord leben werden.
Dazwischen lassen wir uns noch drei Wochen auf dem Atlantik durchschütteln. Das
wird ein neuer Abschnitt unserer Reise.
Cosima:
Nach 100 Tagen zu
zweit an Bord wird sich das jetzt erheblich ändern und es beginnt ab den 19.10.
eine ganz neue Phase. Zunächst kommen unsere Freunde Carola und Günter nach
Gran Canaria in ein Appartement und wir werden gemeinsam die Insel erkunden.
Dann kommt der jüngste Sohn samt Freundin an Bord und wir werden zwei Wochen
gemeinsam Segeln.
Leonie fliegt
wieder nach Hause und wir werden dann unsere Mitsegler von der Odyssey in
Teneriffa kennenlernen, gemeinsam über den Atlantik segeln und dann hoffentlich
in Barbados auch noch die beiden älteren Söhne treffen. Ich freue mich also auf
die Begegnungen mit Familie und alten und neuen Freunden und bin gespannt und
aufgeregt wegen der Atlantiküberquerung.
1 Kommentar:
Grossartig, danke fuers teilen!!!
Den Fersensporn braucht man wie es scheint, um eine hoehere Zugbelastung auf nehmen zu koennen, als bei der Ursprungskonstruktion intendiert....kein Problem, BMI anpassen und 25 Jahre warten...;-) wieder was gelernt Herr Ingenieur. https://de.wikipedia.org/wiki/Fersensporn
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