Sonntag, 1. Juli 2018

Tag 362 - Baltimore: Technik, Kunst und schöne Aussichten

Baltimore ist in der Kriminalstatistik auf einem der vorderen Plätze und unser Uber-Fahrer gestern hat uns erzählt, dass er nachts Fahrten in bestimmten Gegenden nicht annimmt… Uns gefällt es aber hier so gut, dass wir noch einen Tag bleiben wollen. In der Tourist Information haben wir uns verschiedene Broschüren ausgesucht und heute (Samstag) können wir ein Turmuhrwerk besichtigen. Wir fahren also mit dem öffentlichen Bus zum „Bromo-Seltzer-Tower“ (inspiriert vom Palazzo Vecchio in Florenz).
Der Turm gehörte zum Imperium von Isaac Edward Emerson, der das Mittel „Bromo-Seltzer“ erfand (nicht zu verwechseln mit Alka Seltzer), das gegen Kopf- und Magenschmerzen wirken sollte. Die Zusammensetzung war so giftig, dass die Rezeptur mehrfach geändert wurde. Das ursprüngliche Acetanilid, dass dem Blut die Fähigkeit nahm, Sauerstoff zu binden, wurde durch Acetaminophen (Paracetamol) ersetzt und später wurde auch das namensgebende Bromid verboten, da es zu Verwirrungszuständen führen konnte…
Zu seiner Zeit war Bromo-Seltzer aber extrem erfolgreich, was auch an den Marketing-Strategien des Herrn Emerson lag. Er packte das Produkt in eine auffällig blaue Flasche, die er auch selbst herstellte und dazu gleich eine Glasmanufaktur gründete. Er wurde schwerreich und hatte neben diesen Firmen auch Yachten, Hotels und Beteiligungen an Kobalt-Minen (für die blaue Farbe). Hier im Turm gibt es eine kleine Ausstellung der berühmten Flaschen.
Aber wir sind ja wegen des Uhrwerks hier und nach einer Einführung klettern wir hinauf in den Uhrturm. Das Werk wurde erst kürzlich komplett überholt und funktioniert jetzt wieder mechanisch. Nur das Aufziehen erledigt ein Elektromotor. Es gibt kein Schlagwerk aber vier Zifferblätter an allen Seiten des Turms, die keine Zahlen, sondern die Aufschrift „Bromo-Seltzer“ (12 Buchstaben) tragen.
Nach dieser interessanten Führung entscheiden wir uns, die Treppen herunterzulaufen (hoch ging es mit dem Aufzug, teilweise handgesteuert), weil wir gelesen haben, dass hier im Turm verschiedene Künstler ihre Ateliers haben. Weit kommen wir nicht, denn gleich im Treppenhaus fallen uns drei Bilder auf.
Der Künstler – Tommy Roberts – arbeitet gerade in seinem Studio und hört dabei Beethoven (die 9. Symphonie). Wir unterhalten uns eine ganze Weile und bewundern seine Bilder. Leider alles aufgespannte Leinwände, die wir nur schwer transportieren könnten. Ich suche dann einen Druck aus der Jazz-Serie aus. Für weitere Bilder: klick
Weiter unten treffen wir dann Marianna Mills, die malt, fotografiert und auch Schmuck selbst designt und anfertigt. Auch mit ihr unterhalten wir uns eine ganz Weile und erzählen von unser Reise. Sie sieht meine Halskette mit Segelboot und schenkt mir spontan ein paar passende Ohrringe – wie nett! Weitere ihrer Werke: klick 
Wir kommen auch noch ein einem kleinen Aufenthaltsraum vorbei, in dem weitere Bilder von Tommy hängen, auch eine Kohle-Zeichnung mit einem Portrait der Sängerin Nina Simone. Ralf erkennt sie sofort, denn zwei Songs von ihr sind auf der „Nachtwachen-Playlist“ und wir haben sie bei der Atlantik-Überquerung oft gehört – Link zum Video: klick. Wir fahren sofort wieder in den 14. Stock und können das Bild tatsächlich kaufen!
Inspiriert und beschwingt von so tollen Besichtigungen, Begegnungen, Geschenken und Käufen fahren wir noch einmal an den Inner Harbor und dort auf das World Trade Center, das im 27. Stockwerk ein Aussichtsdeck „Top of the World“ hat. Wir können nach allen Richtungen über Baltimore und seine Wasserflächen schauen – sehr beeindruckend!
Wieder auf dem Boden der Tatsachen laufen wir am Wasser entlang, wo jetzt am Wochenende einiges los ist. Es gibt jede Menge Touristen, Verkäufer und Straßenmusiker.
Schon von oben war uns das alte Kraftwerk aufgefallen, das jetzt für Gastronomie und ein großes Barnes & Noble Buchgeschäft genutzt wird. Wir können nicht wiederstehen und gehen hinein. Eigentlich wollen wir ja aus Platzgründen keine gedruckten Bücher an Bord haben… Ich kaufe nur einen kleinen Reiseführer über New York und jeder von uns bekommt eine Zeitschrift (Ralf: Wooden Boat, ich: 65 Jahre Elizabeth II – ja, ich mag die englische Monarchie und ja, ich lese auch gerne die Yellow Press… natürlich nur beim Arzt oder Friseur).
Bis wir zurück auf dem Boot sind, ist es schon wieder Abend geworden. Wieder bekommen wir – ganz kostenlos – einen phantastischen Sonnenuntergang hinter der Skyline von Baltimore. Vom Ufer kommt Musik herüber und es ist eine ganz besondere Stimmung. Ich bin wirklich froh, dass wir uns zu dieser Reise entschlossen haben und dass wir so viele besondere Momente und Menschen erleben dürfen.

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