Dienstag, 6. August 2024

Tag 64 - Bangor-Belfast-Bangor: Viele Eindrücke

Heute scheint überwiegend die Sonne, so dass wir uns für eine Stadtführung in Belfast einscheiden. Das Thema der Tour ist: "A History of Terror", das auf neutrale Art vorgestellt werden soll. Wir beginnen mit einen Zusammenfassung von 800 Jahren irischer Geschichte zur Erklärung, wie die Situation in Nordirland entstanden ist - ich habe bereits an anderer Stelle darüber berichtet. Grundsätzlich geht es um kolonialisierte katholische irische Nationalisten im Konflikt mit protestantischen britischen Loyalisten, die sich belagert und von Gegnern umgeben fühlen. Auf unserem Weg durch die Stadt kommen wir auch an der Skuptur "Spirit of Belfast" vorbei, die mit dem Material (Stahl) die Schiffsindustrie und mit der Form (Garnfäden) die Stoffindustrie darstellen soll, aber von den Bewohnern "Onion Rings" (Zwiebelringe) genannt wird.
Ich habe noch nie auf einer Tour so wenige Sehenswürdigkeiten gesehen, den wir laufen überwiegend an Orte, an denen es zu Bombenanschlägen, Schießereien und anderen Greueltaten gekommen ist. Heute stehen dort ganz normale Häuser (oft nach der Zerstörung durch die Bomben neu gebaut). Wir erfahren, dass die ersten Bomben klein und nur auf Sachbeschädigung gerichtet waren, später jedoch große Autobomben verwendet wurden - wie hier an der Stelle, wo das rote Auto im Hintergrund steht.
In einer traurigen Gewaltspirale bildeten beide Seiten paramilitärische Organisationen, die jeweils der Meinung waren, dass Gewalt das legitime Mittel wäre, um die Situation zu lösen. Nicht überraschend führte jede gewalttätige Aktion zu einer entsprechenden Reaktion, oft mit dem zusätzlichen Ziel von Rache und Vergeltung und zu weiterem Zulauf zu den Milizen. Sehr eindrucksvoll berichtet unser Guide über die Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft, die er selbst als Kind und Jugendlicher miterlebt hat. Die permanente Bedrohung durch Bomben oder Schießereien, die Angst vor Verfolgung und Festnahmen, die vollständige Sperrung der Innenstadt, die Traumatisierung als Opfer, Täter, Augenzeuge, Angehöriger... Das Schöne an der Tour ist, dass es ein Happy End gibt. Aus verschiednen Gründen veränderte sich die Gesellschaft. Es gab eine Annäherung der verschiedenen Gruppen, die in getrennten Stadtteilen lebten und zu getrennten Schulen gingen über die Musik, speziell Punk (siehe oben rechts). Die großen Religionen verloren Mitglieder und Bedeutung, das Internet zeigte gerade den jungen Menschen eine globale Welt, Einflussnahme durch die USA...
Mit dem Karfreitagsabkommen (ich berichtete aus Derry) wurde dann der Friedensprozess eingeleitet. Ein Zeichen für den Erfolg sind die vielen Bauwerke mit Glasscheiben - so etwas wurde während der Bedrohung durch Bomben nicht gebaut.
Heute ist die größe Veranstaltung in Belfast die Pride-Parade mit der die LGBTQ+ Community gefeiert wird. Passend dazu hat ein Restaurant die Straße mit regenbogenfarbenen Regenschirmen dekoriert.
Bei unserem Rundgang kommen wir auch noch an einigen anderen Skulpturen und Szenen vorbei, hier das Mural der Tour, die Beacon of Hope (Mitte), Queen Victoria mit Möwe und Federick Douglass, befreiter Sklave, Schriftsteller und Politiker (unten links).
Unsere Führung hatte an der City Hall (dem Rathaus, siehe Titelbild) begonnen und da wir gerade rechtzeitig zurückkommen, nehmen wir auch hier an einer Tour teil. Während wir warten, posiert der junge Bürgermeister für offizielle Pressefotos.
Es gibt insgesamt 60 Stadträte, die für jeweils vier Jahre gewählt werden. Sie bestimmen jeweils für ein Jahr den "Lond Major". Wir schauen uns das eindrucksvolle Gebäude an, das Anfang des letzten Jahrhunderts errichtet worden ist, als die Stadt eine wirtschaftliche Blüte durch Schiffsbau und Stoffherstellung erlebte. Vier verschiedene Sorten Marmor sind verbaut.
Jeder Bürgermeister bekommt nach seiner Amtszeit ein gemaltes Portrait und kann selbst auswählen, wie und von wem er dargestellt werden möchte - mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Außerdem können wir die Amtsketten (sofern nicht gerade in Gebrauch) und die Roben anschauen. Der so unglücklich dreinschauende Herr oben links war während des Corona-Lockdown Lord Majon (daher der schwarz-gelbe Streifen im Bild).
Der Saal, in dem der Stadtrat tagt ist ebenfalls sehr prächtig ausgestattet. Traditionell saßen die verschiedenen Fraktionen rechts bzw. links mit "zwei Schwertlängen Abstand", aber heute sind sechs Parteien vertreten, die nach Größe sortiert werden.
Heute bin ich deutlich mehr als meine 5000 Schritte gelaufen und entsprechend knirschen meine Knochen. Wir sind erfüllt von den vielen unterschiedlichen Eindrücken und Begegnungen, aber wir freuen uns jetzt auch wieder auf das Segeln und etwas Ruhe im Hafen.

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