Freitag, 19. Januar 2018

Zwischenbilanz 200 Tage

Wir sind nun 200 Tage an Bord und haben ungefähr die Hälfte unseres Sabbaticals hinter uns. Es ist wieder Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wir haben die gleichen acht Fragen, die ich nach 100 Tagen gestellt hatte (siehe hier), diesmal für die Zeit vom 11.10.2017 bis 19.01.2018 unabhängig voneinander beantwortet. Wir haben in den letzten 100 Tagen die Strecke von Lanzarote (Kanarische Inseln) nach Martinique (Karibik) zurückgelegt.

Was hat dir am besten/am wenigsten gefallen?


Ralf:
Das Familientreffen an Weihnachten war eine tolle Sache. Cosima hat das lange im Voraus geplant und als wir dann tatsächlich am Heiligen Abend im Cockpit saßen, fand ich das schon sehr bewegend.
Wir haben über zwei Wochen auf Barbados verbracht und uns dort sehr wohl gefühlt.  Das ist den Barbadians zu verdanken, die offen und freundlich sind. Auch die herzliche Aufnahme im Yachtclub und unsere Zeit am Ankerplatz erinnere ich wirklich gerne.

Wenn mir etwas nicht gefallen hat, lag das an meiner Einstellung oder Erwartungshaltung. Objektiv gibt es keinen Grund zu klagen. Die Triton funktioniert, es sind nur Kleinigkeiten zu reparieren, wir sind soweit gesund, die Atlantiküberquerung hat gut geklappt und auf den Inseln haben wir gute Erfahrungen mit den Bewohnern gemacht.

Ich habe mir nicht gefallen, als wir unser Schiff für die Atlantiküberquerung ausgerüstet haben. Beim Einkaufen von Lebensmitteln liegen Cosimas und meine Vorstellungen weit auseinander. Das ist bekannt. Da es traditionell ihr Job ist, und wir bisher immer gut ausgerüstet unterwegs waren, hätte ich gelassener mit den eingekauften Mengen umgehen können. Denn die Triton ist beim Beladen doch nicht untergegangen....

Cosima:
Was mir am Besten gefallen hat, ist leicht zu beantworten: Das Wiedersehen mit Freunden und Familie, insbesondere, dass wir Weihnachten zusammen mit allen Kindern auf Barbados verbringen konnten. Es war auch schön, dass die Jungs nach und nach gekommen sind, so dass wir in unterschiedlichen Konstellationen zusammen waren. - Auf See hatten wir wunderbare Momente: Sonnenuntergänge, Sternenhimmel, Delfine, unglaublich blaues Wasser… Unsere vielen tollen Landausflüge und besonderes Highlight der Tag beim Pferderennen.

Auf der Negativ-Liste steht für mich ganz oben die Woche vor dem Start zur Atlantiküberquerung, wo ich die Stimmung sehr angespannt und gereizt erlebt habe. Sicher berechtigte Kritik hätte ich mir zu verschiedene Gelegenheiten konkreter und sachbezogener gewünscht. Außerdem hätte ich natürlich gut auf Schmerzen und Einschränkungen durch mein Rheuma verzichten können…

Was war die gefährlichste Situation?


Ralf:
Am Anfang unserer Atlantiküberquerung sind wir in den Einflussbereich eines über die Kanarischen Inseln ziehenden Sturmtiefs geraten. Wir hatten 6 Bft. mit Schauerböen, Wellenhöhe 3 m und segelten am Wind. Eine Welle hat uns unglücklich getroffen und die Triton auf die Steuerbordseite gerollt. Dabei ist ein Scharnier des im Salon eingebauten Rumpffensters gebrochen. Jede weitere Welle hat dieses Fenster ein wenig aufgedrückt und so kam schnell Wasser ins Schiff. Nachdem wir den Schaden entdeckt hatten, konnten wir durch eine Wende die Situation entschärfen. Die anschließende Reparatur war mit Bordmitteln möglich.

Cosima:
Auch hier ist die Antwort einfach: Kreuzen bei Starkwind auf dem Atlantik und auf einmal sehe ich Wasser über den Bodenbrettern hin- und herschwappen. Ein sehr unangenehmes Gefühl und eine aufregende Zeit, bis die Quelle (ein Seitenfenster) gefunden und repariert war.

Hast du etwas getan, was du vorher noch nie getan hast?


Ralf:
Klar. Es gab viele Premieren. Aber 22 Tage non Stop segeln dürfte das herausragendste Erlebnis sein.

Cosima:
Wieder einfach: 22 Tage am Stück gesegelt und den Atlantik überquert! Außerdem viele neue Inseln besucht: Gran Canaria, Teneriffa, Barbados, St. Lucia, Martinique, Dominica. Und ich bin zum ersten Mal mit Flasche getaucht.

Wie unterscheidet sich das, was du erlebt hast, von deinen Erwartungen?


Ralf:
Von der Veranstaltung "Atlantic Odyssey" hatte ich mir mehr versprochen. Die Seminare haben mir keine neuen Erkenntnisse gebracht. Jimmy war auch ganz offensichtlich mit uns Seglern nicht glücklich. Viele junge Segler haben eine ganz andere Entwicklung hinter sich, als das früher üblich war. Eine Atlantiküberquerung steht nicht am Ende einer längeren "Seglerkarriere", sondern wird einfach als Auszeit geplant und durchgeführt.

Die Atlantiküberquerung war erstaunlich kurzweilig und durch unser Crewmitglied Paul auch physisch nicht anstrengend. 4 Stunden Wache und 8 Stunden frei ist sehr komfortabel.

Die Temperaturen in der Karibik haben mir zu Beginn unserer Reise am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Inzwischen habe ich mich gut mit den Gegebenheiten arrangiert.  Grundregeln: Zwischen 11 und 15 Uhr nichts Anstrengendes machen. Für ausreichend Schatten sorgen und so ankern, dass der Passat über das Schiff weht. Dann ist es hier gut auszuhalten.

Cosima:
Atlantiküberquerung: viel besser, als gedacht! Ich hatte mir Gedanken über Wetter, Ernährung und mögliche Langeweile gemacht, aber stattdessen hatten wir überwiegend schnelles und schönes Segeln und für Langeweile war gar keine Zeit.

Karibik: Meine Erwartung war: „zu warm und zu arm“. Hinsichtlich „zu warm“ wurden meine Erwartungen erfüllt. Temperaturen über 30°C sind einfach nicht mein Ding (und bekommen mir auch gesundheitlich nicht gut). Kochen und insbesondere Backen ist wie ein Saunagang. Auch nachts kühlt es nicht wirklich ab. Was ich nicht erwartet hatte, ist dass es auch noch so häufig regnet. In Anbetracht der Tatsache, dass es hier alles üppig und grün ist, hätte ich ja darauf kommen können, aber irgendwie hatte ich Winter = Trockenzeit im Kopf… Jedenfalls ist es immer ein Risiko, die Luken offen zu lassen oder Handtücher oder Wäsche draußen aufzuhängen.

Bezüglich „zu arm“ habe ich die Inseln sehr unterschiedlich erlebt. Mir machen die großen Unterschiede zwischen arm und reich zu schaffen, die hier teilweise ganz unmittelbar nebeneinander zu sehen sind. Das war für mich am offensichtlichsten auf St. Lucia, wo Menschen in kaputten Wellblechhütten in Sichtweite von extremen Luxus-Resorts leben.

Weil meine Erwartungen nicht hoch waren, werde ich dann immer wieder angenehm überrascht, z.B. von Barbados und den netten Menschen dort oder vom Schwimmen und schnorcheln im warmen Wasser.

Was würdest du rückblickend anders machen?


Ralf:
Wir sind bisher immer ohne Reiseveranstalter gesegelt. Die Teilnahme an der Atlantic Odyssey war für mich ein Fehler. Der Starttermin eines Törns sollte nach semännischen Gesichtspunkten festgelegt werden. Wir sind in die Ausläufer eines Tiefdruckgebiets geraten, das uns Flaute, danach Starkwind von vorn und anschließend wieder Flaute beschert hat. Die Wetterprognosen haben das auch so vorhergesagt. Ohne einen Starttermin hätten wir uns noch La Gomra und El Hierro anschauen können und wären dann eine Woche später bei guten Bedingungen losgesegelt.

Cosima:
Eigentlich nicht viel… den Personalausweis mitnehmen, wenn ich mit Bus und Fähre nach La Gomera will… weniger Bananen kaufen (auch die ratzegrünen waren sehr schnell reif)… vorm Losfahren nochmal den Radar kontrollieren… Fruchtnetze anders befestigen…

Was würdest du nicht mehr mitnehmen/auf jeden Fall mitnehmen?


Ralf:
Obst und Gemüse aus der Markthalle.
Das ganze Gedöhns mit dem frischen Obst und Gemüse aus der Markthalle halte ich für Unfug. Für einen längeren Trip kaufe ich in Zukunft wieder das Zeugs aus einem gut sortierten Supermarkt. Das ist nämlich u.a. auf Lagerfähigkeit und lange Haltbarkeit gezüchtet.

Hier auf den Inseln kaufen wir regionale Ware ein. Die schmeckt besser, aber die Lagerfähigkeit ist extrem kurz.

Cosima:
Die CDs und DVSs haben wir immer noch nicht gebraucht… Sonst bin ich mit unserer Ausrüstung sehr zufrieden. Besonders viel Spaß macht mir meine neue GoPro-Kamera.

Was vermisst du am meisten (außer Menschen und Kater)?


Ralf:
Unverändert: Typisch deutsche Lebensmittel wie Brot, Quark, ein Stück heiße Fleischwurst und den Fleischsalat vom Metzger Köhler aus Eich. Und ein Essen von meiner Mutter.
Cosima:
In den ersten 100 Tagen habe ich über das fehlende schnelle Internet gejammert, aber daran habe ich mich jetzt gewöhnt. Selbst die 22 Tage offline auf dem Atlantik waren OK. Ich gebe jetzt halt für Datenvolumen Geld aus, den WLAN ist nach wie vor selten. Sonst sind es eigentlich nur Lebensmittel, die ich vermisse und da ganz besonders Brot und Quark und natürlich das köstliche Weihnachtsessen von Hildegard.

Was erwartest du für die nächsten 100 Tage?


Ralf:
Durch die Kinder waren wir mit uns selbst beschäftigt. Jetzt werden wir wieder andere Segler kennenlernen. Bekanntschaften sind ein spannender und wichtiger Faktor auf einer solchen Reise. Die Inseln und Ankerplätze sind austauschbar. Natürlich bin ich auch auf die Grenadinen gespannt. Viele Bekannte sind schon eine Weile dort, und was sie berichten klingt verlockend.

Cosima:
Die letzten 100 Tage haben Abwechslung und viele Veränderungen gebracht. Wir haben mit der Atlantiküberquerung und der Ankunft in der Karibik im wahrsten Sinne des Wortes Neuland betreten. Und wir haben anregende und intensive Zeiten mit Freunden und Familie erlebt. Mit Carola und Günter haben wir Gran Canaria erkundet, mit Leonie und Paul waren wir auf Teneriffa unterwegs. Dann die Zeit auf dem Atlantik mit Paul und auf Barbados kamen dann noch erst Jan und dann Max dazu. Mit den beiden letzteren waren wir auf St. Lucia und Martinique und schließlich mit Jan noch auf Dominica.

Für die nächsten 100 Tage erwarte ich eine ruhigere Phase. Wir werden „nur“ in der Karibik unterwegs sein und haben keine bestimmten Orte oder Termine, wo wir sein müssen, um einen Flieger zu erreichen. Ich hoffe, dass wir ein paar von unseren Segelfreunden wiedersehen und ich bin gespannt aufs Schnorcheln mit meiner neuen „Darth-Vader-Maske“! 

3 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Eure Zusammenfassung finde ich immer sehr interessant. Dass Ihr keine Gruppenreisenden seid, war mir klar und ich wunderte mich damals über Eure Entscheidung wo Ihr so erfahrene Segler seid....und jetzt ja auch richtig zu Reisenden geworden....

Unknown hat gesagt…

Wir haben in der letzten Eichsaison auch den Fleischsalat vermisst. Metzger Köhler öffnet samstags nicht mehr, und freitags schaffen wir es nie rechtzeitig .
Grenada hat mir gut gefallen. Dort kann man gut Gewürzr kaufen, die Nutmeg Fabrik war sehr interessant.
Viel Spaß dort und liebe Grüße Anke

Dody hat gesagt…

Find ich echt klasse, Eure Zwischenbilanz! Ja, die Lebensmittel an die man sich gewoehnt hat, faellt manchmal schon sau-schwer. Ueber die Jahre, mit etwas Fantasie und Erfindungsreichtum, laesst sich das eine oder andere aber durch selbstgemachtes ersetzen. Und auf gescheites Brot braucht ihr wirklich nicht zu verzichten! Sicher, es klappt nicht unbedingt beim ersten Versuch perfekt aber mit ein bisschen probieren bring man selbst ein ausgehobenes Bauernbrot mit leckerer Kruste hin - und das notfalls auch in der Pfanne falls der Backofen mal ausgefallen sein sollte. Das ganze macht fast keine Arbeit und mit ein bisschen Ueberlegen kriegt man es sogar ohne Aufwasch-Orgie hin. Versucht's doch einfach mal, Ihr werdet echt ueberrascht sein! Fair winds & sonnige Gruesse Dody