Donnerstag, 14. September 2017

Tag 70-73 - Lissabon-Porto Santo: Blauwassersegeln

Montag: Abschied von Lissabon
Wie immer, wenn wir segeln, mache ich meine Runde durchs Schiff: Alle Luken schließen und zuschrauben, Seeventil im Klo schließen, alles wegräumen und/oder gegen herausfallen sichern, Gas aus, Sicherungen für Windanzeige und Logge (das ist der Tacho auf einem Schiff) an, Funkgerät an und heute auch das Iridium-Telefon. Weil wir ein größeres Stück vorhaben, koche ich noch eine große Kanne Tee und mache ein paar belegte Brote. Das geht alles im Hafen viel einfacher als unterwegs.

Dann lege ich die Sachen für draußen bereit: Seekarten auf Papier, Logbuch, Fotoapparat, Brille und Sonnenbrille, Kappe. Im Cockpit starte ich dann das Handfunkgerät und unseren Plotter (= Navigationsgerät) und den Kurs, den ich gestern Abend schon eingegeben habe. Ralf hat inzwischen an Deck alles klargemacht. Das Bimini weggeräumt, die Persenning (Abdeckhülle) vom Groß genommen, die Windfahne montiert, alles gesichert und festgebunden.

Die Schleuse am Hafen sollte um 8:15 p.Z. (portugiesische Zeit) geöffnet werden und um 9:00 (Bordzeit) sind wir dann unterwegs. Zunächst geht es ein ganzes Stück wieder den Tejo hinunter. Wie geplant schiebt der Fluss und die Tide und geht es schnell Richtung Atlantik. Unterwegs haben wir aber noch Zeit, die vorbereiteten Brote zu essen.
Und wir können noch einen letzten Blick auf das Stadtpanorama werfen. Hier nochmal vom Wasser aus der Blick auf das „Museum of Art, Architecture and Technology“ (MAAT, siehe gestern), das sich sehr elegant in die Stadtansicht einfügt.
Draußen treffen wir dann auf den angesagten Wind: nördliche Richtung, Stärke 5-6 Beaufort (kräftig). Da wir nach Südwesten wollen kommt der Wind zunächst von schräg hinten, so dass beide Segel backbord (links) gefahren werden können. Bei diesen Bedingungen fängt die Triton an zu rennen und wir kommen gut voran. Abends setzen wir dann noch den Fockbaum. Der Wind soll auf Nordost drehen, das ist genau von hinten und dann deckt das Großsegel das Focksegel ab. Daher wir dieses dann auf der anderen Seite ausgebaumt. Diese Segelstellung nennt man Schmetterling. Noch ist das nicht nötig, aber wir wollen nachts nicht mit den ganzen Leinen und dem Baum hantieren, daher bereiten wir alles schon im Hellen vor.  

Dienstag: Schnell und schaukelig
Wir verwenden wieder unser bewährtes Wachsystem: wir besprechen wer müde ist und der legt sich hin. Meist wachen wir nach 3-4 Stunden wieder von selbst auf und lösen dann den anderen ab. Spätestens nach der ersten Nacht läuft das dann auch tagsüber weiter. Bei Wachwechsel gibt es oft etwas zu essen und es werden ggf. Segelmanöver durchgeführt. So auch diese Nacht, denn tatsächlich dreht der Wind wie angesagt, so dass wir die Fock auf die andere Seite ziehen – dank der Vorbereitungen auch im Dunkeln schnell erledigt und bleibt den ganzen Tag so stehen.
Wir haben in den ersten 24 Stunden 169 sm zurückgelegt, ein Schnitt von 7 kn, für unser Schiff richtig gut. Der Preis für diese Geschwindigkeit ist, gerade bei Wind ziemlich von hinten, ein heftiges Geschaukel, dass zu einer recht unbequemen Fahrt führt. Nichts geht „mal eben schnell“ sondern nur, wenn man sich selbst und alles, was man benutzen möchte, sorgfältig gegen Um- oder Herunterfallen sichert. Ralfs neues Hobby ist es, Quellen von Klappern, Knirschen, Klicken oder Knarren aufzuspüren und zu beseitigen, damit er besser schlafen kann.

Das Meer ist erstaunlich leer – nach Durchquerung einer Schifffahrtsroute am ersten Tag sehen wir zunächst kein Schiff mehr, kein Fischerfähnchen, keine Tiere, keine Seezeichen, nur wir, der Ozean (mehrere Kilometer tief) und der Himmel. Leider fällt unser Funkgerät aus und gibt keine Mucks mehr von sich – ärgerlich, denn es empfängt auch die AIS-Signale (Automatic Identification System) der anderen Schiffe und so müssen wir noch besser aufpassen und bekommen keine Informationen mehr über Art des Schiffes, Kurs und Geschwindigkeit. Heute sehen wir genau ein Schiff – und das kommt von schräg hinten auf uns zu – so viel Wasser und dann treffen wir uns fast! Wir bleiben cool und es geht dicht vor uns vorbei.

Mittwoch: Schönes Segeln
Auch in der Nacht haben wir nochmals eine ähnliche Begegnung mit einem Schiff und wünschen uns unser AIS, um Schiff und Kurs zu identifizieren. Um ca. 21:00 Uhr ist es dunkel und der Halbmond geht erst so gegen 0:00 Uhr auf – bis dahin ist es wirklich stockpechrabenschwarze Nacht, so dass wir teilweise nicht einmal den Bug der Triton erkennen können. Mitten in dieser Dunkelheit sehe ich dann schräg hinter uns ein kleines Licht, dass je nach Wellental oder -berg auftaucht oder wieder verschwindet. Nach einer Weile sind es dann zwei Lichter – aha, ein Schiff über 50 m Länge. Und es kommt auf uns zu, denn die Peilung steht.

Als dann auch noch das rote Seitenlicht erkennen kann, rufe ich Ralf, denn möglicherweise müssen wir ein Ausweichmanöver fahren. Jetzt ein Funkgerät, dann könnten wir mal anrufen… aber das ist ja kaputt. Mit unserer Segelstellung (Groß festgebunden, Fock ausgebaumt, Wind von hinten) haben wir nur wenig Möglichkeiten. Schneller geht nicht, abfallen nur mit einem aufwendigen Manöver, also bleibt noch anluven oder langsamer fahren. Ralf hat schon alles klar zum Wegnehmen der Fock, als ich sehe, dass das Schiff den Kurs ändert und nun parallel zu uns fährt. Es braucht eine gefühlte Ewigkeit, um uns zu überholen und dann vor uns vorbei zu fahren. Langsam verschwindet dann sein Hecklicht wieder in der Dunkelheit. Der Rest der Nacht verläuft ereignislos und ich erlebe den Sonnenaufgang bei meiner Morgenwache.
In den zweiten 24 Stunden sind wir 165 sm gesegelt, wieder ein sehr gutes Ergebnis für unser Schiff. Wir kommen viel schneller voran, als gedacht! Mittlerweile haben wir uns an das Geschaukel und die Bordroutine gewöhnt und dieser Tag macht richtig Spaß. Das Meer hat eine unglaubliche Farbe, die auf Bildern nur sehr unzureichend wiedergegeben werden kann. Aber jetzt weiß ich, warum Hochseesegeln auch Blauwassersegeln genannt wird! Auch die Wellen sehen auf Fotos oder Filmen nicht so beeindruckend aus, wie ich sie an Bord erlebe, aber hier ist ein kleiner Eindruck.
Wir haben jeden Tag ein gutes warmes Essen gehabt, dass wir – wie berichtet – schon vorgekocht hatten, so dass es unterwegs nur aufgewärmt werden muss. Heute gibt es Huhn mit Zwiebeln-Tomaten-Paprika-Sauce und Nudeln. Auf dem kardanisch aufgehängten Herd wird der Topf zusätzlich noch mit zwei Spangen befestigt.

Donnerstag: Land in Sicht!
Nachts haben wir einen wieder einen wunderbaren Sternenhimmel – hier gibt es eben keine „Lichtverschmutzung“ durch künstliche Beleuchtung und auch der Mond scheint wieder für uns. Ich übernehme die Wache um 4:30 Uhr und es gibt wieder ein Licht, das neben uns zu sehen ist. Diesmal ist es nur eines, aber es bleibt hartnäckig auf gleicher Höhe. Wieder vermisse ich das AIS, dann könnte ich nachsehen, ob es ein Fischer oder vielleicht ein anderer Segler ist. Wir sind weiter sehr schnell unterwegs und wenn es so weiter läuft, werden wir unser Ziel Porto Santo (eine kleine Insel neben Madeira) schon am Vormittag erreichen. Hier ein Blick auf unsere Navigation mit einer ETA (estimated time of arrival) von 10:07 Uhr.
Gegen 7:00 Uhr geht dann langsam die Sonne auf und ich sehe, dass das nächtliche Licht tatsächlich ein anderer Segler war, der die ganze Nacht mit uns gefahren ist. Außerdem bewundere ich die eindrucksvollen Berge von Porto Santo mit dem kleinen Leuchtturm, der mir nachts den Weg gewiesen hat. Auch in den dritten 24 Stunden haben wir wieder 166 sm zurückgelegt.
Bis wir dann tatsächlich in der Marina festgemacht haben, brauchen wir noch 10 sm und zwei Stunden, so dass wir am Ende 510 sm und 74 Stunden für die Fahrt gebraucht haben. Wir binden das Boot gut fest, denn hier gibt es heftige Fallböen und der Fingersteg ist sehr kurz. Wir freuen uns, dass wir hier die NALA DANICA wiedertreffen, die wir zuletzt bei Start der Biskaya-Überquerung in Falmouth gesehen haben.

Dann beseitigen wir die Spuren der Fahrt an und unter Deck. Sonst steht heute nur noch Schlafen, Essen und Duschen und die Anmeldung bei Hafenamt, Zoll und Polizei auf dem Programm. Wir sind sehr froh, dass die Überfahrt so gut und schnell geklappt hat!

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Da ist ja rekordverdächtig! Willkommen in den Madeiras. Ich hoffe, Ihr habt ein bisschen Zeit um Euch umzugucken (und nach der AKKA auf der Hafenmauer zu suchen, bzw. nach dem, was von ihr übrig ist...)

Unknown hat gesagt…

Das war ja sehr aufregend!

Der Ausfall der Technik ist sehe ärgerlich. Ich hoffe ihr könnt es schnell reparieren.

Der Sternenhimmel muss fantastisch sein.