Mir ist es eigentlich am liebsten, wenn ich nix Besonderes zu erzählen haben und im Blog über Zeitzonen, wahren Wind und gefühlte Entfernungen philosophieren kann. Gestern Nachmittag sah es auch noch ganz so aus. Unser Dreamteam arbeitete prächtig und wir genossen die Aussicht, die Stimmung, einen schönen Sonnenuntergang und gebackenen Camembert mit Preiselbeeren und Kartoffelspalten. Auch in der Nacht, wieder bei hellem Mondlicht, ging es gut voran, aber es war schon abzusehen, dass wir wegen der Winddrehung von Ost Richtung Nordost in absehbaren Zeit ein Manöver fahren müssen.
Heute Morgen bei Tageslicht war es dann soweit: Halse. Das bedeutet, alle Segel (Groß, Fock, Parasailor) und der Ausbaumer und der Bullenstander müssen auf die andere Seite. Erster Schritt: Parasailor runter. Gar nicht so einfach, denn der größte Vorteil: er fällt nicht zusammen wir jetzt zum größten Nachteil, denn er muss zusammenfallen, damit wir den Bergeschlauch herunterziehen können. Das ist einer der Gründe, warum wir das Großsegel oben haben: die Hoffnung, dass der Para im Windschatten besser zu handhaben ist. Wir lassen ihn ganz nach vorne zum Vorstag, ziehen in Lee an der Schot und Ralf macht auf dem Vorschiff im richtigen Moment Klimmzüge an der Bergeleine – klappt prima! Dann machen wir die Halse (Groß auf die andere Seite) und gehen auf den neuen Kurs.
Während Ralf und Paul auf dem Vorschiff arbeiten, schaue ich mir unsere Geschwindigkeit nur mit 2x gerefftem Groß und die Schaumkronen auf den Wellen an und schlage vor, nur die Fock und nicht den Parasailor zu setzen. Gesagt, getan, der Ausbaumer wird abgebaut und die Schoten werden umgefädelt. Wir haben im Cockpit nur vier Winschen (zum Festkurbeln und Sichern von Leinen) und davon werden zwei für den Ausbaumer benötigt, so dass entweder die Schoten des Parasailors oder der Fock mit den anderen beiden bedient werden können. Die Fockschoten waren daher in den letzten Tagen rechts und links auf zwei Klampen belegt. Alles ist soweit fertig gefädelt und sortiert, da passiert es: Ralf und Paul machen beide gleichzeitig die Fockschoten los und diese werden dadurch so lang, dass sich die Fock mehrfach um das Vorstag wickeln kann und sich durch einfaches Ziehen nicht wieder lösen lässt.
Dumm gelaufen, denn wir hatten die Fock ja gerade deswegen ein Stück ausgerollt, damit sich der Parasailor nicht um das Vorstag wickelt, denn das war uns vor Jahren schon einmal beim Spinnakern passiert. Genau deswegen wissen wir aber auch, was jetzt zu tun ist, um das Problem zu lösen: Groß runter, Motor an, Henry auskuppeln und in die Abwickel-Richtung Kreise fahren… Das schreibt sich jetzt so schnell, aber bei Windstärke 5+ mit entsprechenden Wellen und Schwell war es für mich dann doch aufregend. Hat aber super geklappt und wir konnten dann die Fock auf der neuen Seite ausbaumen und das Groß – ungerefft – wieder setzen.
Zurück im Cockpit findet Ralf das Boot etwas langsam und fragt sich schon, ob es ein Fahler war, den Parasailor unten zu lassen, als ich hinter uns eine große schwarze Wolke entdecke Könnte das ein Squall sein? Ich schrieb ja gestern schon über diese kleinräumigen Wetterphänomäne, die heftigen, drehenden Wind und Regen bringen. Während wir noch hinschauen, wird die Wolke noch dunkler und bedrohlicher und wir sehen unten die Regenschleier. Tatsächlich ein Squall! Glücklicherweise war er genau hinter uns und zieht daher auch schräg hinter uns vorbei. Wir sind dann doch ganz froh, dass wir nur Fock und Groß oben haben, die im Zweifelsfall besser und kontrollierter zu beherrschen sind.
Im Moment sieht der Himmel aber wieder nett aus und wir sind mit 6 kn Richtung Ziel unterwegs – alles gut an Bord.
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