Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Stadführungen auf dem Fahrrad gemacht und daher haben wir für heute die "Rotterdam Highlights" gebucht. Ich fahre schon zum Treffpunkt mit dem Rad (die beiden Herren laufen) und wir treffen Michele, die hauptberuflich Stewardess bei KLM ist. Sie ist in Rotterdam geboren und aufgewachsen und wird uns für die nächsten 2,5 Stunden die Stadt zeigen. Wir beginnen mit einem Gedenkstein für die Bombardierung durch die deutsche Luftwaffe am 14. Mai 1940, bei der 814 Zivilisten ums Leben kamen und die Altstadt fast vollständig zerstört wurde.
Nach dem Krieg wurden dann überwiegend Geschäfte in der Innenstadt angesiedelt, während Wohngebiete an den Stadträndern entstanden. Michele berichtet, dass es in der Stadt viel Kriminalität gab und Touristen eher nach Den Haag oder Amsterdam gingen. Ab 1980 wurde ein großes Stadtentwicklungsprogramm gestartet, um die Situation zu verbessern. Die Möglichkeit, hier neue Konzepte zu verwirklichen, zog viele Architekten an und mittlerweile ist das Stadtbild beeindruckend und modern.
Verfallene Gebäude wurden jungen Künstlern zur Verfügung gestellt, und es wurde eine gelbe Holzbrücke errichtet, die Luchtsingel, die den vergessenen Norden mit dem Zentrum verbindet. Es war möglich, einzelne Bretter mit Namen zu erwerben - hier der Aufgang:
Michele nimmt uns mit in ihr eigenen Appartement-Haus, um uns den wunderbaren Innenhof zu zeigen, in dem lichtdurchflutet große Birken wachsen.
Das Haus liegt direkt neben der Laurenskerk (Laurentius-Kirche), eines der wenigen Bauwerke, die bei dem Bombenangriff verschont geblieben sind. Ein anderes ist das Rathaus, in dem seit 2009 Ahmed Aboutaleb Bürgermeister ist. Er ist Marokkaner (mit "Doppelpass"), Muslim und - am allerschlimmsten - Amsterdamer (das Verhältnis ist wohl wie zwischen Köln und Düsseldorf) und hatte erst mit großer Ablehnung zu kämpfen - mittlerweile ist er aber durch seinen großen Einsatz, seine Unparteilichkeit und seine klaren Worte sehr beliebt.
Direkt neben der Kirche, allerdings im rechten Winkel dazu, weil er sich als Humanist kritisch mit der Kirchenlehre auseinandersetzte, steht ein Denkmal von Erasmus von Rotterdam, Philologe, Philosoph, Theologe und Gelehrter. Nahezu alles ist in Rotterdam nach ihm benannt: die Universität, das Krankenhaus, eine U-Bahnlinie, eine Brücke... In der Bibliothek ist ein ganzer Raum nur seinem umfangreichen Werk gewidmet.
Nicht nach Erasmus benannt ist die nahegelegene "Markhal". Das moderne Gebäude ist hufeisenförmig. An der Außenseite sind Appartements und unter dem Bogen befindet sich die Markthalle mit einer Vielzahl von Geschäften.
Wir haben Gelegenheit, uns auch innen etwas umzusehen und die vielen appetitanregenden Stände und das große Deckengemälde zu bewundern.
Zu den architektonischen Highlights von Rotterdam gehören auch die Kubus-Häuser des Architekten Piet Blom, die direkt am Oudehaven stehen. Michele war schon in einer der Wohnungen und berichtet, dass die Fenster schräg nach unten ein merkwürdiges Gefühl hervorrufen (besonders, wenn man schon etwas getrunken hat).
Über die Erasmusbrücke und die Koniginnebrücke (die wir ja schon "von unten" kennen), geht es dann auf die andere Maas-Seite, wo wir in der "Fenix Food Factory" eine kurze Pause einlegen. Hier kommen nicht die Touristen, sondern eher die Einheimischen her und es ist nicht so perfekt, wie die Markthalle, dafür natürlicher und sympatischer.
Vorbei am Hotel New York - untergebracht im Gebäude der ehemaligen Holland-Amerika-Lijn (siehe oben) - geht es dann wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt - eine sehr nette und interessante Tour! Wir haben noch nicht genug vom Radfahren und besorgen uns alle Leihfahrräder, die einfach über eine App gebucht werden können. Damit fahren wir zum "Nederlands Fotomuseum", wo wir uns die Sonderausstellung "Lust for Life" des niederländischen Fotografen Ed van der Elsken ansehen.
Wir beginnen mit einer beeindruckenden Dia-Show auf vier Bildschirmen und mit passender Musik unterlegt, die einen sehr guten Überblick über das Werk des Künstlers geben. Sein Hauptmotiv sind Menschen in ihrem natürlichen Habitat, viel Street- und Reportage-Fotografie ist dabei. Mein Eindruck ist, dass er gerade die Stimmung der 70er Jahre sehr gut eingefangen hat und auch seine Bilder nach einer Hungersnot in Bangladesch sind sehr unmittelbar und berührend.
Eine besonderer Herausforderung für das Museum war die Restauration der ca. 42.000 Negative, die sehr von Schimmel angegriffen waren.
Unsere letzte Station ist dann noch das Hotel New York von innen, oder eher außen, denn wir sitzen auf der Terasse und lassen uns Kaffee, Tee und Kuchen schmecken.
Für die Rückfahrt benutzen wir ein Wassertaxi, die ursprünglich nur das Hotel auf der Südseite mit dem Veerhaven auf der Nordseite verbunden haben, mittlerweile gibt es zahlreiche Haltestellen über die ganze Stadt verteilt. Aber wir nehmen natürlich die klassische Route in unseren Hafen.
Eine absolut sehenswerte Stadt mit sehr interessanter Architektur - und ausgesprochen Fahrrad-freudlich: überall Leihfahräder, Fahrradwege mit Ampeln, Fahrradparkplätze... Gefühlt gibt es wenig Autoverkehr und neben Fahrrädern noch Straßenbahnen, U-Bahn, Wasserbus, Wassertaxi etc. - sehr fortschrittlich und umweltfreundlich!
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