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Sonntag, 13. Mai 2018

Tag 313 - St. George: Geschenke und Zeremonien

Wir wollen eigentlich heute nur kurz an einer Stadtführung in St. George teilnehmen und danach an Bord noch einige Arbeiten erledigen. Aber wie so oft auf unserer Reise gibt es ein paar unerwartete, aber sehr schöne Entwicklungen. Am Samstag fahren keine Fähren und daher ist die Stadt ziemlich leer. Zuerst sieht es so aus, als ob wir die einzigen bei der Führung wären, aber dann kommt noch ein Ehepaar aus USA und eine Italienerin hinzu. Unser Führer ist Rev Lorne Bean von der örtlichen Methodistenkirche – ein großer Geschichtenerzähler!
Viele Informationen haben wir schon auf unseren früheren Ausflügen bekommen, aber er versteht es, die Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Wir lernen, anhand der Dachneigung und einigen anderen Einzelheiten das Alter der Gebäude zu schätzen, er berichtet, wie die teilweise sehr witzigen Straßennamen entstanden sind (Featherbed Alley, Shinbone Alley…), zeigt uns, wo das Herz von Admiral George Somers (der mit der SEA VENTURE hier strandete und nach dem die Stadt benannt ist) begraben ist und vieles mehr.
Meine liebste Geschichte ist die der „Peppercorn Ceremony“: St. George war ursprünglich die Hauptstadt. Diese wurde jedoch 1815 nach Hamilton verlegt und das Regierungsgebäude hier wurde nicht mehr benötigt. Um Unterhaltungskosten zu sparen, wurde das „State House“ an die Freimaurer zum Preis von einem Pfefferkorn pro Jahr vermietet. Der Vertrag gilt auch heute noch und die Übergabe des Pfefferkorns wird mit großem Zeremoniell begangen (ich sage nur Militärkapelle, Pferdekutschen, alles was Rang und Namen auf Bermuda hat im elegantesten Outfit oder in Uniform, Pfefferkorn auf Silbertablett und Samtkissen…)
Die Führung war vom „Town Crier“ angekündigt worden und der hatte gleich Ralf und den anderen Herrn als Helfer für eine später stattfindende Zeremonie engagiert: „Dunking of the Nag“ – dabei handelt es sich um eine Dame, die wegen Nörgeln und Tratschens bestraft wird und zwar durch Eintauchen ins Hafenbecken auf einem speziellen Stuhl. Ralf wurde zusammen mit vier anderen „Freiwilligen“ für die Bedienung des Stuhls eingeteilt und der andere Herr durfte den örtlichen Betrunkenen spielen. Die Dame wurde wirklich mehrfach mit großem Platsch ins Wasser fallen gelassen und beide Schauspieler spielten ihre Rollen sehr überzeugend!
Inzwischen war es schon Mittag geworden und wir gingen eine Kleinigkeit essen – schön, dass wir uns hier schon auskennen und wissen, wo das gut und – für bermudische Verhältnisse – relativ günstig geht. Während der Führung hatten wir eine kleine Kunstgalerie entdeckt und dort wollten wir eigentlich nur kurz nach einem kleinen Original für unsere Bildersammlung schauen…
Die Künstlerin, Emma J. Ingham, ist so freundlich und interessant, dass wir uns eine ganze Weile mit ihr unterhalten. Ihre Mutter kam im 2. Weltkrieg nach Bermuda, um als „Censorette“ zu arbeiten, da sie (die Mutter) fünf Sprachen beherrschte. Die Post aus USA nach Übersee wurde hier geöffnet und gelesen, um eventuelle Spionage zu entdecken. Emma selbst wurde dann 1946 hier auf Bermuda geboren. Sie hat ihre Karriere als Modezeichnerin begonnen, malt jetzt aber überwiegen Blumen und Landschaften in Wasserfarben. Sie hat große Ständer mit verschiedenen Bilder und Ralf und ich suchen zwei mögliche Kandidaten aus und fragen nach dem Preis. Große Überraschung: sie schenkt uns das eine Bild und nimmt für das zweite nur Geld an, als wir darauf bestehen…
Auf Empfehlung von Emma besuchen wir dann noch das „St. George’s Historical Society Museum“ im gleichen Gebäude. Es handelt sich um das Haus eines reichen Händlers, dass den Charme des 18. Jahrhunderts bewahrt hat. So ist die Küche noch vollständig eingerichtet.
Wir bekommen eine Privatführung durch die Räume angeboten, die wir gerne in Anspruch nehmen. So sind z.B. „Bermuda Bags“ ausgestellt, deren Besonderheit im Griff aus Bermuda-Wacholder ist. Dieses Holz wurde auch für den Schiffbau verwendet. Eine der Taschen gehörte der Mutter unserer Führerin und es wird eine Briefmarkenserie über diese Taschen geben. Auch das Außengelände ist wunderschön (siehe auch oben).
Wir lernen einiges über die Rolle von Bermuda im Amerikanischen Bürgerkrieg, als England die Südstaaten unterstützte und mit speziell gebaute Schiffe als Blockadebrecher von Bermuda und den Bahamas aus operierte. Im Keller gibt es dann noch eine Druckerpresse nach dem Vorbild von Johannes Gutenberg.
Erst nachmittags geht es wieder zurück zum Schiff, wo Ralf dann noch Vorbereitungen zum Abdichten des Lecks im Kleiderschrank trifft. Ein Püttingeisen (Befestigung der Wanten, die den Mast seitlich halten) endet genau im Schrank und dort ist beim Segeln Wasser hereingekommen. Heute hat er die alte Dichtmasse entfernt und die Stelle sorgfältig gereinigt, morgen soll sie dann wieder geschlossen werden.

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