Hier in Boston ist eine Hitzewelle mit Temperaturen von
deutlich über 30 Grad. Daher haben wir beschlossen, schon früh morgens loszufahren
und dann auf dem Boot eine Siesta zu machen. Aber der Start verläuft etwas holperig.
Wir wollen mit den „BlueBikes“ fahren, die hier günstig ausgeliehen werden
können, aber – obwohl noch welche körperlich vorhanden sind – erkennt die App
das nicht und so müssen wir zur nächsten Station laufen.
Wir fahren über den Charles River, zunächst nach Charlestown
und dort als erstes in den „Naval Shipyard“. Dort liegt die „USS Constitution“,
eine dreimastige Fregatte, 1793 in Dienst gestellt und das älteste noch
seetüchtige Kriegsschiff der Welt.
Da sie noch ein „aktives“ Schiff ist, wird sie tatsächlich
von Seeleuten der Navy betreut. Alles ist tip-top in Ordnung und auf Hochglanz
poliert. Aus dem gleichen Grund ist sie aber auch nicht als Museum aufbereitet
und daher gibt es nicht viel zu sehen.
Wir gehen noch in das Besucherzentrum, wo es 1. eine Klimaanlage
(ahhh!) und 2. Eine Sonderausstellung zu den „SWONs“ – the Shipbuilding Women of
the Navy“ gibt. Da viele Männer im Krieg waren und nach Pearl Harbor Schiffe fehlten,
wurden auch Frauen im Bootsbau gebraucht.
Besonders berühmt wurde „Rosie the Riveter“ (Rosie, die Nieterin),
eine fiktive Figur aus einem Propagandafilm. Das bekannte Poster wurde auch später
noch zur Darstellung von „Frauenpower“ verwendet. Typisch das Tuch um die
Haare, das verhindern sollte, dass das lange Haar in eine Maschine kam.
Es gibt extra eine Möglichkeit, eine eigenes „We Can Do It!“
Bild zu machen und es ist witzig, den verschiedenen Damen beim Posen zuzusehen.
Eine Familie hat gleich vier Töchter am Start, die erst einzeln und dann als
Gruppe fotografiert werden. Ralf ist so nett und macht das Bild von mir.
Ich habe mir gewünscht, eine große Campus-Universität in New
England zu besuchen und hier ist die Gelegenheit günstig, denn gleich nebenan
in Cambridge (hatte ich schon erwähnt, dass die Kolonisten bei der Auswahl der
Namen nicht besonders einfallsreich waren…) liegen Harvard und das Massachusetts
Institut of Technologie. Das MIT ist näher und das ist bei der Hitze heute ein
Argument…
Wir betreten also diesen Tempel des Wissens (wie ein
italienischer Teilnehmer unserer Führung später unbeeindruckt meinte: „Sieht
aus wie das Pantheon in Rom!“) und mir gefällt gleich das Plakat mit der Aufschrift
„Education for a Better World“, denn ich glaube, dass Bildung extrem wichtig
ist.
Bis unsere Führung beginnt, haben wir noch etwas Zeit, in
der wir uns erst einmal in der Cafeteria stärken (ich hoffe, dass die Lehrenden
hier professioneller arbeiten als die Damen in der Gastronomie), uns ein paar Schiffsmodelle
anschauen (es gibt auch eine Abteilung für „Naval Engineering"), eine
Ausstellung des „Centers for Advanced Visual Studies“ besuchen und in der
Bibliothek der Ingenieure (direkt unter dem Dom) die Füße etwas hochlegen.
Wir werden von einem jungen Studenten mit goldener Harry
Potter Brille über einen kleinen Teils des großflächigen Campus geführt und
erfahren, dass hier etwas über 11.000 Studierende von etwas über 1.000 Professoren
unterrichtet werden (zum Vergleich: TU Darmstadt hat knapp 26.000 Studierende
aber nur etwas über 300 Professoren). Alle „freshmen“ (Studenten im ersten Jahr)
„müssen“ auf dem Campus wohnen.
Zu den Absolventen gehören unter anderem über 90 Nobelpreisträger
(davon 10, die gerade hier unterrichten) und diverse andere Preisträger und bekannte
Persönlichkeiten. Nachteil: nur etwa 7 % der Bewerber werden genommen und ein
Jahr Studium (inklusive Wohnen, Essen, Bücher) kostet etwas über 70.000 Dollar.
Allerdings werden Zugelassene, die sich das nicht leisten können, finanziell
unterstützt.
Die Studenten sind bekannt für ihre „Hacks“, womit nicht
Computer-Hacks gemeint sind, sondern besondere Streiche, die gerne das Dach des
Domes mit einbeziehen. So wurde der „eine“ Ring um den Dom gelegt (klick), er wurde in R2D2 verwandelt (klick) und – der wohl beliebteste Hack – ein (nachgebautes) Auto der Campuspolizei
wurde auf dem Dach geparkt und konnte nur mit einem Hubschrauber geborgen
werden (klick) Heute steht das Auto in der Lobby des Strata Centers.
Es gibt zahlreiche verschiedene Wohnheime, Gebäude, in denen
unterrichtet wird, Sportanlagen, Bibliotheken, Verwaltungs- und Funktonsgebäude
– alle sehr gepflegt und viele von namhaften Architekten gestaltet. Ich erkenne
hier gleich den Stil, denn am Hafen einer Stadt, mit der ich sehr verbunden
bin, stehen sehr ähnliche Häuser.
Wir haben noch nicht genug Kultur, denn heute ist ja das
Konzert in der öffentlichen Bibliothek, also geht es wieder zurück nach Boston.
Es ist das letzte (freie) Konzert der Sommersaison und soll
eingentlich im schönen Innenhof des Gebäudes stattfinden. Wegen der Hitze wird
die Vorführung dann aber nach drinnen verlegt.
Drei junge Männer spielen schwungvolle lateinamerikanische
Rhythmen (einer ist aus Venezuela, einer aus Ecuador) und fordern alle zum
Mitsingen und Tanzen auf – sehr nett.
Die Bibliothek selbst besteht aus dem alten Teil, den Ralf
gestern fotografiert hat und einem ganz modernen Anbau, mit offenen Räumen und kräftigen
Farben, der mir auch sehr gut gefällt. Erst in der Abenddämmerung fahren wir
zurück zum Schiff – zwar hatten wir keine Siesta aber wieder einen sehr
interessanten und ausgefüllten Tag!
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