Wir sind nun 300 Tage an Bord und haben ungefähr 3/4 unseres Sabbaticals hinter uns. Es ist wieder Zeit,
eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wir haben die gleichen acht Fragen, die ich nach
100 (siehe hier) und 200 (siehe hier) Tagen gestellt hatte, diesmal für die Zeit
vom 20.01.2018 bis 29.04.2018 unabhängig
voneinander beantwortet. Wir haben in den letzten 100 Tagen die Strecke von Martinique über Grenada nach Virgin Gorda (BVI) zurückgelegt.
Was hat dir am besten/am wenigsten gefallen?
Ralf:
Am besten gefallen:
Die Fahrten mit den Kleinbussen waren ein absoluter
Hochgenuss. Immer knallvoll, laute Raggae-musik, die Fahrer rasen wie der
Henker, die Hupe ist das wichtigste Kommunikationsmittel. Wer bremst, verliert.
Gelassene, gut gelaunte Mitfahrer, preisgünstig, flexible Abfahrtzeiten,
Haltestellen und Routen. So macht der öffentliche Personennahverkehr Spaß.
Auf den Inseln mit hohen Bergen gibt es viele Flüsse mit
Wasserfällen. Sie liegen landschaftlich sehr schön im Regenwald. In deren Pool
kann man schwimmen. Es ist wunderbar temperiertes Süßwasser, ein Luxus für uns
Segler.
Überall laufen Hühner herum. Häufig ein Hahn mit seinem
Harem samt Nachwuchs. Wir wissen nicht, ob sie jemandem gehören, wer die Eier
einsammelt oder ob sie irgendwann auf dem Grill landen werden. Auf jeden Fall
sind sie alle top in Schuss und ich habe sie gerne beobachtet. Besonders die
Hennen mit ihrem zahlreichen Kücken haben mich mich oft zum Lachen gebracht.
Weniger gefallen:
Die Inseln im Norden sind schwer von zwei Hurricanes
getroffen worden. Die Schäden sind gewaltig. Ich hatte erwartet, dass die
Aufräumarbeiten schon weiter fortgeschritten
sind. Zum Teil sieht es so aus, als sei der Sturm letzte Woche über die
Insel gefegt. Das möchte der Tourist natürlich nicht sehen...
Viele Produkte und Dienstleistungen sind sehr teuer.
Leider steht die Qualität in keinem Verhältnis zum Preis. Ich hatte deshalb
häufig keine Lust, für einen lustlos gemixten Drink oder ein mittelmäßiges
Sandwich Geld auszugeben.
Cosima:
Positiv: Nette
Begegnungen und gute Gespräche mit anderen Seglern und Einheimischen, Schwimmen
und Schnorcheln im angenehm warmen Wasser (das wird mir fehlen).
Erkundungstouren über die Inseln, insbesondere mit Quad oder Golfcart.
Hop-On-Hop-Off-Busse. Besonders in Erinnerung bleibt die Verfolgungsfahrt in
Grenada, um Ralfs verlorenes Portemonnaie wieder zu bekommen.
Weitere Highlights
waren für mich die Botanischen Gärten auf Martinique und St. Croix, das Barbecue
mit Steelband und Sonnenuntergang in Antigua, Baden in verschiedenen
Wasserfällen und Naturpools auf Grenada und Guadeloupe, das unglaublich türkise
Wasser in den Tobago Cays, Antigua oder Anegada. Seit Martinique segeln wir in
den „Leeward Islands“ und dass bedeutet, schöne und schnelle Überfahrten
zwischen den Inseln. Überhaupt ist der Wind hier sehr zuverlässig und wir haben
nur wenige Motorstunden gesammelt.
Negativ: eigentlich
wenig, 5 Grad weniger könnten nicht schaden… und ich würde gerne besser und
schneller laufen und körperlich arbeiten können.
Was war die gefährlichste Situation?
Ralf:
Gefährliche Situationen gab es in diesem Abschnitt der
Reise nicht.
Cosima:
Wirklich
gefährliche Situationen hatten wir nicht. Unangenehm fand ich, als sich in
einer Bucht in Grenada ein großer Katamaran von einer Mooring losgerissen hatte
und auf uns zutrieb. Ist aber alles gutgegangen. Allerdings lassen wir seitdem
immer das Steuerrad am Platz (sonst hatten wir es manchmal entfernt, um mehr
Raum in Cockpit zu haben)…
Und dann war da
auch noch die Sache mit unserem Anker, der sich unten in einem Wrack verfangen
hatte. Nicht gefährlich, aber schon aufregend, bis der nette Taucher Didier uns
wieder befreit hatte.
Hast du etwas getan, was du vorher noch nie getan hast?
Ralf:
Wir waren an verschiedenen Stellen schnorcheln. Das habe
ich vorher noch nicht gemacht. Die Unterwasserwelt hat mich zum Teil so
gefesselt, dass ich erst aus dem Wasser gegangen bin, als ich zu frieren
anfing. Besonders Buck Island war beeindruckend, weil ich eine ganze Zeit in
einem Fischschwarm geschwommen bin. Die Kerle hatten keine Angst.
Cosima:
Wieder haben wir
natürlich zahlreiche Inseln besucht, auf denen ich nie zuvor gewesen bin:
Grenada, SVG, Guadeloupe, Antigua, St. Martin, USVI, BVI… Beim Schnorcheln habe
ich wunderschöne Unterwasserlandschaften und eine große Vielfalt von Fischen
erlebt – und es gab frische Pizza von einem Pizza-Boot!
Wie unterscheidet sich das, was du erlebt hast, von deinen Erwartungen?
Ralf:
Meine Erwartungen an die Karibik waren nicht besonders
hoch. Aber in den letzten Wochen habe ich das Revier schätzen gelernt. Wir
haben das Ankern für uns entdeckt und die Abende im Cockpit werde ich bestimmt
nie vergessen. Es ist angenehm warm, über mir ist der Sternenhimmel und ich
höre mit dem Kopfhörer Musik oder lese.
Auch das Segeln macht hier wirklich Spaß. Immer Wind,
immer aus östlicher Richtung, keine Tide, kein Wettergeschehen. So einfach kann
segeln sein.
Ich hatte die Karibik gleichförmiger erwartet und
befürchtet, dass mir die Zeit lang werden könnte. Aber die Inseln sind sehr
unterschiedlich. Ein Segeltag bringt mich in eine andere Welt. Das macht den
Aufenthalt hier sehr kurzweilig. Am Anfang brauche ich einen Moment, um mit der
neuen Umgebung warm zu werden. Aber nach den ersten Erkundungen mit dem Bus
oder einem Sightseeing-Taxi bin ich meistens beeindruckt von der speziellen
Schönheit der Insel. Ganz wichtig sind die Einwohner. Wie empfinde ich ihre
Ausstrahlung? Bis auf eine Ausnahme habe ich mich auf allen Inseln sehr wohl
gefühlt.
Cosima:
Ich hatte ehrlich
gesagt erwartet, dass die Karibik nicht so mein Ding ist. Ich habe Städte- und
Kulturreisen lieber als Strandurlaube und erwartete, dass mir die Hitze zu
schaffen macht und dass ich nicht gut damit zurechtkomme, dass die Menschen
wesentlich ärmer sind als wir. Ich hatte auch Bedenken wegen der Sicherheit an
Bord.
Es hat sich dann
herausgestellt, dass es „die Karibik“ nicht gibt und dass jede Insel ganz
unterschiedliche Schwerpunkte hat und sich ganz unterschiedlich anfühlt. Die
französischen Inseln gehören zu EU und sind entsprechend europäisch. Die
ehemaligen englischen Kolonien, die jetzt fast alle unabhängig sind, haben das
unterschiedlich gut hinbekommen. Am ursprünglichsten ist sicher Dominika.
Wir haben St.
Vincent und St. Lucia diesmal ausgelassen (wegen Sicherheitsbedenken und
Berichten von befreundeten Seglern und aus dem Internet) und auf den anderen
Inseln habe ich mich immer sicher und gut gefühlt. Die Menschen waren
überwiegend sehr freundlich, höflich und hilfsbereit.
Ich war absolut
entsetzt über die Zerstörungen durch die Hurrikane Irma und Maria, insbesondere
auf Dominika, St. Martin/Sint Maarten, den US-Virgin Islands und den British
Virgin Islands. Auch sechs Monate nach den Stürmen sind noch sehr viele
Aufräumarbeiten zu erledigen, gar nicht zu reden von den nötigen Reparaturen. Dadurch,
dass viele Hotels und Geschäfte noch geschlossen sind, wird auch kein Umsatz
gemacht und dadurch wird es wieder schwieriger, Geld für die Reparaturen zu
verdienen. Die Inseln werden Jahre brauchen, um sich zu erholen, aber die
nächste Hurrikan-Saison steht schon wieder vor der Tür…
Was würdest du rückblickend anders machen?
Ralf:
Unsere Zeit in der Karibik war für mich ein voller Erfolg
und ich würde die Reise im Prinzip wieder so machen.
Cosima:
Da fällt mir auch
bei längerem Überlegen nichts Wesentliches ein. Im Gegenteil, ich bin froh,
dass wir unsere Pläne mehrfach spontan geändert haben und dadurch sehr schöne
Erlebnisse hatten.
Was würdest du nicht mehr mitnehmen/auf jeden Fall mitnehmen?
Ralf:
Ich würde alles wieder so mitnehmen.
Cosima:
Seit dem Englischen
Kanal habe ich keine langen Hosen, Socken, langärmlige Oberteile, Jacken,
Regensachen etc. mehr gebraucht… Aber ich gehe davon aus, dass das demnächst
wieder nötig sein wird. Von meinen Sommersachen habe ich fast nichts verwendet,
stattdessen habe ich hier viele leichte Oberteile und preisgünstige Kleider
gekauft. Auch die DVDs stehen immer noch nahezu ungenutzt im Regal. Sonst bin
ich mit unserer Ausrüstung, was Boot, Elektronik, Ersatzteile, Vorräte angeht
sehr zufrieden.
Was vermisst du am meisten (außer Menschen und Kater)?
Ralf:
Ich vermisse im Moment nichts. Ab und zu würde ich mich
gerne mit meinen Freunden zuhause treffen. Aber unsere Reise ist endlich,
deshalb macht mir das keinen Kummer. In ein paar Monaten sehen wir uns ja
wieder.
Cosima:
Jugend, Schönheit
und Gesundheit… Sonst habe ich mich wirklich sehr gut an das Bordleben und auch
an das Essen gewöhnt. Das Problem mit dem Internet habe ich gelöst, indem ich
einfach Datenvolumen von den jeweiligen lokalen Anbietern kaufe und damit gut
zureicht komme. Ich werde aber viele Angebote und Möglichkeiten in Deutschland
noch mehr zu schätzen wissen.
Was erwartest du für die nächsten 100 Tage?
Ralf:
Mehr Segeln und mehr Kultur.
Cosima:
Als ich mit den
100-Tage-Fragebogen anfing, hatte ich nicht geplant, dass die Abschnitte so gut
mit den verschiedenen Abschnitten unserer Reise zusammenpassen würden.
Tatsächlich geht unsere Zeit in der Karibik jetzt zu Ende, wir verlassen die
Tropen und die Passatzone und machen uns auf den Weg an die amerikanische
Ostküste. Ich erwarte wesentlich mehr und unterschiedliches Wettergeschehen,
eine ganz andere Welt in den USA, Kanalfahren, Großstädte und Kulturerlebnisse.
Ich vermute, dass mir Wetter (kühler) und Landschaft (nordisch) sehr gut
gefallen werden.
Haben wir doch immer gesagt: man muss nicht bei 15 Grad segeln, damit‘s toll ist! Und das warme Wasser zum Schwimmen und schnorcheln ist doch wunderbar. Süsswasser Pools haben wir damals nicht erlebt, aber es ging erstaunlich gut mit Salzwasser. Ich glaub sowieso, dass die Leeward Islands noch attraktiver sind als die Bahamas.
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