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Montag, 21. August 2023

Tag 86 - Cahersiveen: Angenehme Überraschung

Cahersiveen (sprich Kahörseiwien) ist eine kleiner Ort (nach der letzten Volkszählung 1.041 Einwohner) am Fluss Ferta. Wir sind eigentlich nur hergekommen, weil es hier einen Aldi geben soll und wir unsere Vorräte ergänzen wollen. Zuletzt waren wir in Orten mit Bewohnerzahlen im niedrigen dreistelligen Bereich und entsprechend wenig Infrastruktur und Geschäften. Wir laufen die kurze Strecke von der Marina zur Hauptstraße, die bunt und nett aussieht (wir vermuten ein Tidy Towns Projekt).
Ganz in der Nähe ist eine finden wir eine im Verhälnis zur Bewohnerzahl ungewöhnlich große Kirche - wie sich herausstellt, die "Daniel O'Donnell Memorial Church" die von 1888-1902 in einer Mischung von neugotischem und mittelalterlichem Stil erbaut wurde.
Uns fallen auch die zahlreichen Wandgemälde auf, die die Stadt schmücken. Darunter ein Portrait von Monsignor Hugh O'Flaherty (oben links im Bild).
Wir nehmen einen Mittags-Imbiss und recherchieren nach weiteren Sehenswürdigkeiten. Vorgeschlagen wird uns ein Museum ganz in der Nähe, das "Old Barracks Heritage Center", und wir machen uns auf den Weg dorthin. Auch dieses Gebäude wirkt unpassend für den kleinen Ort und gleicht eher einem kleinen Schloss als einer Kaserne (siehe Titelbild). Es wurde 1870-75 als Polizeistation für die Royal Irish Constabulary gebaut und es ging das Gerücht um, dass die Baupläne mit einer indischen Grenzbefestigung vertauscht worden sein und jetzt eine irische Polizeikaserne in Indien steht... Anlass für den Bau war unter anderem der Schutz eines transatlantischen Kabels, das 1858 zwischen Irland und Neufundland verlegt wurde (Bildquelle Wikipedia).
Das Museum ist ganz toll gemacht, mit einem exellenten Audioguide auch auf deutsch. Wir erfahren einiges zu der Verlegung des transatlantischen Kabels, z.B. über die großen Schwierigkeiten ein Kabel dieser Länge in einem Stück im Nordatlantik zu verlegen und wir können uns über den Morsecode informieren und eine Nachricht übersetzen oder selbst schreiben.
Die Geschichte des Gebäudes wird multimedial erzählt und wir erfahren Einzelheiten über die Polizeitruppe. Neben dem Schutz der Telegraphenstation war sie auch für Ruhe und Ordnung verantwortlich. So waren sie beteiligt an der Niederschlagung des "Fenian Risings" von 1867, eines Aufstands der irischen Nationalisten gegen die englische Herrschaft, das hier in Cahersiveen begann. Ein weiterer Raum ist Daniel O'Donnell gewidmet, und wir verstehen, warum die Kirche nicht nach einem Heiligen, sondern nach einem Laien benannt wurde. O'Donnell (1775-1847), geboren im Nachbarort von Cahersiveen, fiel schon als Schüler durch Intelligenz und Redegewandheit auf. Er wurde als Anwalt sehr wohlhabend und übernahm gerne hoffnungslose Fälle aus der armen Bevölkerung. Politisch kämpfte er für die Gleichberechtigung der Katholiken und die Abschaffung der Union mit England. Dabei war es ihm sehr wichtig, diese Ziele mit verfassungsgemäßen und friedlichen Mitteln zu erreichen. Es gelang ihm, Großveranstaltungen durchzuführen und die katholische Bevölkerung, gerade auch arme Arbeiter und Bauern, zu mobilisieren. Er wurde ins (englische) Unterhaus gewählt, konnte jedoch seinen Sitz zunächst nicht einnehmen, da er dazu einen Eid auf den König als Oberhaupt der angelikanischen Kirche hätte ablegen müssen. Weil die englische Regierung einen Aufstand in Irland befürchtete, wurde das diskriminierende Gesetz geändert und auch katholische Abgeordnete konnten im Parlament sitzen.
Auch der Hintergund des Porträts von Monsignor Hugh O'Flaherty (1898-1963) wird geklärt. Er war ein Priester, der während des zweiten Weltkrieges Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus im von der Wehrmacht besetzten Italien war. Er baute eine geheime Organisation auf, die Juden und Kriegsflüchtlinge in Klöstern, kirchlichen Gebäuden und Privathäusern versteckte und damit ca. 6.500 Menschen das Leben rettete. Wir sind sehr angenehm überrascht von diesem interessanten Museum!
Das Gebäude liegt direkt am Fluss Ferta, an dem auch unsere Marina liegt und der hier von eine einspurigen Autobrücke und einer alten Eisenbahnbrücke überquert wird. Auf der ehemaligen Eisenbahnlinie soll ein Fahrradweg angelegt werden.
Nun ist es Zeit für unseren Einkauf bei Aldi und der Markt ist der dritte Gebäude, dass weder vom Stil noch von der Größe in den Ort passt. Er ist riesig (größer als unserer daheim) und wirkt wie ein Alien-Raumschiff. Wir freuen uns natürlich, dass wir uns hier so gut verpflegen können.
Sehr zufrieden laufen wir schwer bepackt zurück zum Schiff, dass brav in der netten Marina auf uns gewartet hat.

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