Eines Nachts schlief der Riese Maushop am Ufer von Cape Cod
und erwachte, weil er Sand in seinem Moccasin hatte. Ärgerlich warf er den Schuh
ins Meer und versuchte, weiter zu schlafen. Aber auch sein zweiter Moccasin war
voller Sand. Nun sehr wütend schleuderte er ihn noch weiter hinaus ins Wasser.
So sind nach der Legende der Wampanoag die Inseln Martha’s Vineyard und
Nantucket entstanden. Diese und viele andere Geschichten erzählte uns unser
Guide Colin auf einer historischen Stadtführung durch Nantucket.
Die englischen Siedler versuchten sich erst mit
Landwirtschaft, was aber auf der sandigen Insel ohne Flüsse oder Seen nicht zum
Erfolg führte. Von den Wampanoag erlernten die Siedler dann den Walfang, zunächst
nur in Landnähe von kleinen Booten aus, später dann auch im Hochseebereich. Die
ersten Wale waren sogenannte „Right Whales“ (Nordkaper, langsam schwimmende Planktonfresser)
und dann auf See vorwiegend „Sperm Whales“ (Pottwale), die vor allem wegen des kostbaren
Öls gejagt wurden.
Nachdem auf dem Atlantik kaum noch Wale zu finden waren,
segelten die Walfänger von Nantucket regelmäßig in den Pazifik, um dort auf die
Jagd zu gehen. Da – mangels Panama-Kanal – jedesmal Kap Hoorn gerundet werden
musste, dauerten diese Reisen drei bis fünf Jahre. In Nantucket selbst wurde
das rohe Walöl weiterverarbeitet und insbesondere als Brennstoff und
Schmiermittel verkauft. Außerdem wurden besonders helle und rückstandsfrei brennende
Kerzen hergestellt. Das führte zu großen wirtschaftlichen Erfolg und bis ca.
1830 galt Natucket als „Walfanghauptstadt der Welt“. Auch Kapitän Ahab beginnt
seine berühmte Jagd nach dem weiße Wal Moby Dick von Nantucket aus.
Durch die lange Abwesenheit der Männer auf Walfang musste
die Insel überwiegend von Frauen gemanagt werden. Da traf es sich gut, dass es
eine große Quäker-Gemeinde gab. Die Quäker sind eine religiöse Gemeinschaft, die
im 17. Jahrundert in England entstand. Eine wesentliche Grundlage ihrer
Weltanschauung ist, dass das „Licht Gottes“ in jedem Menschen wohnt, unabhängig
von Geschlecht, Rasse und Alter, und dass Gott unmittelbar zu jedem Menschen sprechen
kann. Bildung hat einen hohen Stellenwert, damit der betreffende Mensch das
Wort auch verstehen und ausführen kann. Dementsprechend gab es eine große Anzahl
gebildeter Frauen, die sehr erfolgreich eigene Geschäfte führten. Auch heute
noch gibt es die Versammlungshalle (allerdings nur noch wenige Quäker).
Die Ära des Walfangs ging aus verschiedenen Gründen erst in
Nantucket und dann auch in der übrigen Welt zu Ende. Speziell Nantucket war von
starker Versandung des Hafens betroffen, was dazu führte, dass die immer größer
werdenden Walfänger den Hafen nur noch mühsam anlaufen konnten. Zusätzlich
zerstörte ein großes Feuer im Jahr 1846 große Teile der Stadt und damit der für
den Walfang wichtigen Betriebe. Weitere Probleme bereitete der kalifornische
Goldrausch von 1849, da einige Walfänger entschieden, im Pazifik zu bleiben und
lieber Jagd auf Gold statt auf Wale zu machen… Später ersetzten dann Erdölprodukte das Walöl.
Damit versank Nantucket erst einmal in der
Bedeutungslosigkeit, aber schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Insel von
Künstler entdeckt und kurz danach kamen die ersten Touristen. Schnell erkannten
die führenden Familien, dass es wichtig war, den historischen Charme des Ortes
zu bewahren. Heute gibt es strenge Baubestimmungen, was zu einem einheitlichen Stil
der Gebäude führt. Auch die Farbpalette, die verwendet werden darf ist sehr
eingeschränkt:
Im „Whaling Museum“ erleben wir einen sehr anschaulichen Vortrag
über die Waljagd mit Filmen und Bilder, wie von kleine Booten aus erst eine
Harpune auf den Wal geworfen wurde, der dann das Boot hinter sich her zog. Wenn
der Wal dann ermüdet war, wurde er durch einen Stich ins Herz mit einer langen
Lanze getötet. Das Skelett eines jungen Pottwals stammt allerdings von einem
hier angeschwemmten Tier. Während die Seeleute auf den nächsten Wal warteten,
hatten sie Zeit die berühmten „Scrimshaws“ anzufertigen, Gravierungen in Pottwal-Zähne.
Dazu wird ein Bild, z.B. aus einer Zeitschrift auf den
polierten Zahn gelegt und danach werden die Konturen sorgfältig nachgestochen. Die
so entstandenen Punkte werden dann verbunden und am Ende wird der Zahl geschwärzt,
so dass die gravierten Linien schwarz hervortreten.
Auch sonst hat das Museum wieder viel zu bieten, es gibt eine
Fresnell’sche Linse, ein Kirchturmuhrwerk, eine Ausstellung über Boote,
Beispiele von typischen Körben, diverse Gemälde und natürlich Harpunen, Lanzen,
nautische Geräte etc. Eine Sonderausstellung beschäftigt sich mit Maria
Mitchell (1818-1889), einer amerikanischen Astronomin, die durch die Entdeckung
eines Komenten berühmt wurde. Später unterrichtete sie als erste amerikanische Professorin
für Astronomie am Frauencollge Vasser.
Zum Abschluss unseres Tages im Museum sehen wir noch ein „Reeanactment“
zum Thema „Extraordinary Women of Nantucket“. Dabei treten Schauspieler – oder in
diesem Fall Laiendarsteller – als historische Personen auf und erzählen
anschaulich aus ihrem Leben. Schon die erste Frau, die auf Nantucket heiratete
und ein Kind bekam, war auch eine erfolgreiche Geschäftsfrau (und wurde später
Quäkerin). Zu Wort kommen unter anderem auch eine Frau die als Mann verkleidet
auf einem Walfänger fuhr und eine Kapitänsgattin, die ihren Mann mehrere Jahre
begleitete und eine Kämpferin für Frauen- und Sklavenrechte. Am Ende singen
wir gemeinsam den „Nantucket Girls Song“ – siehe hier
Wir haben tatsächlich den ganzen Tag – mit kleinen Unterbrechungen
für Mahlzeiten – mit Führungen und im Museum verbracht. Wirklich toll, was es
da für interessante Angebote gibt. Nantucket kommt ganz klar auf die Liste
meiner Lieblingsinseln auf dieser Reise (die anderen sind Porto Santo, Barbados
und Bermuda). Wir kaufen noch etwas ein und gehen sehr zufrieden und voll mit
neuen Erkenntnissen wieder zurück zum Hafen.
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