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Freitag, 10. August 2018

Tag 402 - Nantucket: Interessante Frauen und weite Fahrten

Eines Nachts schlief der Riese Maushop am Ufer von Cape Cod und erwachte, weil er Sand in seinem Moccasin hatte. Ärgerlich warf er den Schuh ins Meer und versuchte, weiter zu schlafen. Aber auch sein zweiter Moccasin war voller Sand. Nun sehr wütend schleuderte er ihn noch weiter hinaus ins Wasser. So sind nach der Legende der Wampanoag die Inseln Martha’s Vineyard und Nantucket entstanden. Diese und viele andere Geschichten erzählte uns unser Guide Colin auf einer historischen Stadtführung durch Nantucket.
Die englischen Siedler versuchten sich erst mit Landwirtschaft, was aber auf der sandigen Insel ohne Flüsse oder Seen nicht zum Erfolg führte. Von den Wampanoag erlernten die Siedler dann den Walfang, zunächst nur in Landnähe von kleinen Booten aus, später dann auch im Hochseebereich. Die ersten Wale waren sogenannte „Right Whales“ (Nordkaper, langsam schwimmende Planktonfresser) und dann auf See vorwiegend „Sperm Whales“ (Pottwale), die vor allem wegen des kostbaren Öls gejagt wurden.
Nachdem auf dem Atlantik kaum noch Wale zu finden waren, segelten die Walfänger von Nantucket regelmäßig in den Pazifik, um dort auf die Jagd zu gehen. Da – mangels Panama-Kanal – jedesmal Kap Hoorn gerundet werden musste, dauerten diese Reisen drei bis fünf Jahre. In Nantucket selbst wurde das rohe Walöl weiterverarbeitet und insbesondere als Brennstoff und Schmiermittel verkauft. Außerdem wurden besonders helle und rückstandsfrei brennende Kerzen hergestellt. Das führte zu großen wirtschaftlichen Erfolg und bis ca. 1830 galt Natucket als „Walfanghauptstadt der Welt“. Auch Kapitän Ahab beginnt seine berühmte Jagd nach dem weiße Wal Moby Dick von Nantucket aus.
Durch die lange Abwesenheit der Männer auf Walfang musste die Insel überwiegend von Frauen gemanagt werden. Da traf es sich gut, dass es eine große Quäker-Gemeinde gab. Die Quäker sind eine religiöse Gemeinschaft, die im 17. Jahrundert in England entstand. Eine wesentliche Grundlage ihrer Weltanschauung ist, dass das „Licht Gottes“ in jedem Menschen wohnt, unabhängig von Geschlecht, Rasse und Alter, und dass Gott unmittelbar zu jedem Menschen sprechen kann. Bildung hat einen hohen Stellenwert, damit der betreffende Mensch das Wort auch verstehen und ausführen kann. Dementsprechend gab es eine große Anzahl gebildeter Frauen, die sehr erfolgreich eigene Geschäfte führten. Auch heute noch gibt es die Versammlungshalle (allerdings nur noch wenige Quäker).
Die Ära des Walfangs ging aus verschiedenen Gründen erst in Nantucket und dann auch in der übrigen Welt zu Ende. Speziell Nantucket war von starker Versandung des Hafens betroffen, was dazu führte, dass die immer größer werdenden Walfänger den Hafen nur noch mühsam anlaufen konnten. Zusätzlich zerstörte ein großes Feuer im Jahr 1846 große Teile der Stadt und damit der für den Walfang wichtigen Betriebe. Weitere Probleme bereitete der kalifornische Goldrausch von 1849, da einige Walfänger entschieden, im Pazifik zu bleiben und lieber Jagd auf Gold statt auf Wale zu machen… Später ersetzten dann Erdölprodukte das Walöl.

Damit versank Nantucket erst einmal in der Bedeutungslosigkeit, aber schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Insel von Künstler entdeckt und kurz danach kamen die ersten Touristen. Schnell erkannten die führenden Familien, dass es wichtig war, den historischen Charme des Ortes zu bewahren. Heute gibt es strenge Baubestimmungen, was zu einem einheitlichen Stil der Gebäude führt. Auch die Farbpalette, die verwendet werden darf ist sehr eingeschränkt:
Im „Whaling Museum“ erleben wir einen sehr anschaulichen Vortrag über die Waljagd mit Filmen und Bilder, wie von kleine Booten aus erst eine Harpune auf den Wal geworfen wurde, der dann das Boot hinter sich her zog. Wenn der Wal dann ermüdet war, wurde er durch einen Stich ins Herz mit einer langen Lanze getötet. Das Skelett eines jungen Pottwals stammt allerdings von einem hier angeschwemmten Tier. Während die Seeleute auf den nächsten Wal warteten, hatten sie Zeit die berühmten „Scrimshaws“ anzufertigen, Gravierungen in Pottwal-Zähne.
Dazu wird ein Bild, z.B. aus einer Zeitschrift auf den polierten Zahn gelegt und danach werden die Konturen sorgfältig nachgestochen. Die so entstandenen Punkte werden dann verbunden und am Ende wird der Zahl geschwärzt, so dass die gravierten Linien schwarz hervortreten.
Auch sonst hat das Museum wieder viel zu bieten, es gibt eine Fresnell’sche Linse, ein Kirchturmuhrwerk, eine Ausstellung über Boote, Beispiele von typischen Körben, diverse Gemälde und natürlich Harpunen, Lanzen, nautische Geräte etc. Eine Sonderausstellung beschäftigt sich mit Maria Mitchell (1818-1889), einer amerikanischen Astronomin, die durch die Entdeckung eines Komenten berühmt wurde. Später unterrichtete sie als erste amerikanische Professorin für Astronomie am Frauencollge Vasser.
Zum Abschluss unseres Tages im Museum sehen wir noch ein „Reeanactment“ zum Thema „Extraordinary Women of Nantucket“. Dabei treten Schauspieler – oder in diesem Fall Laiendarsteller – als historische Personen auf und erzählen anschaulich aus ihrem Leben. Schon die erste Frau, die auf Nantucket heiratete und ein Kind bekam, war auch eine erfolgreiche Geschäftsfrau (und wurde später Quäkerin). Zu Wort kommen unter anderem auch eine Frau die als Mann verkleidet auf einem Walfänger fuhr und eine Kapitänsgattin, die ihren Mann mehrere Jahre begleitete und eine Kämpferin für Frauen- und Sklavenrechte. Am Ende singen wir gemeinsam den „Nantucket Girls Song“ – siehe hier
Wir haben tatsächlich den ganzen Tag – mit kleinen Unterbrechungen für Mahlzeiten – mit Führungen und im Museum verbracht. Wirklich toll, was es da für interessante Angebote gibt. Nantucket kommt ganz klar auf die Liste meiner Lieblingsinseln auf dieser Reise (die anderen sind Porto Santo, Barbados und Bermuda). Wir kaufen noch etwas ein und gehen sehr zufrieden und voll mit neuen Erkenntnissen wieder zurück zum Hafen.

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