Seiten

Samstag, 25. Juni 2022

Tag 41 - Ansteuerung Gironde - Port Medoc: Typ-2-Spaß

Gestern um 23:00 Uhr haben wir begonnen die Mündung der Gironde anzusteuern - bei WSW-Wind Stärke 5-6, Wellen von ca. 2,30 m Höhe und ohne sichtbaren Mond. Das Fahrwasser ist gut betonnt und alle Tonnen sind beleuchtet, so dass wir sie auch in der Dunkelheit gut finden können. Wir haben nur wenig Segelfläche (Groß 3x und Fock 4x gerefft) und lassen die Maschine mitlaufen, damit wir im Notfall schnell reagieren können. Wind und Wellen kommen zunächst ziemlich genau von hinten und wir verschließen den Niedergang mit den Steckschotten und gurten uns im Cockpit an - auch nur zur Sicherheit, falls eine Welle von hinten einsteigt. Unser Timing ist gut, denn wir haben keinen Gegenstrom durch Fluss und Ebbe, sondern die Flut beginnt, uns in die richtige Richtung zu schieben. Die Wellen heben uns hoch und dann surft die Triton den Wellenberg hinunter, wird im Tal kurz abgebremst und dann geht die Achterbahnfahrt von vorne los. Ich bin ganz froh, dass es dunkel ist und ich die Wellen nicht sehen kann, nur ab und zu brechen sich weiße Schaumkronen neben uns.
Nach dem ersten graden Stück nach Nordosten können wir langsam einen Bogen fahren und ohne Maschine nur unter Segeln die Fahrt fortsetzen. Der Flutstrom schiebt uns noch mehr, der Wind lässt etwas nach und die Wellen werden kleiner. Wir sind immer noch aufmerksam, versuchen "unsere" Tonnen unter den vielen Lichtern zu identifizieren und achten auf eventuellen Schiffsverkehr (tatsächlich ist ein Baggerschiff unterwegs), aber langsam lässt die Anspannung etwas nach. Es dauert nicht mehr lange und wir können sicher in Port Medoc festmachen.

Ich habe gerade "The Fun Scale" (Die Spaß-Skala) kennengelernt, die meinen Spruch "Entweder es ist ein schönes Erlebnis oder eine gute Geschichte" noch etwas differenziert. Die Skala kommt aus dem Outdoor-Bereich und unterscheidet Typ-1-Spaß: eine Tätigkeit, die Spaß macht, während man sie ausübt und wenn man sich daran erinnert. Typ-2-Spaß ist während der Ausübung nicht wirklich lustig oder sogar unangenehm, aber im Nachhinein sehr befriedigend (Gipfelerfahrung). Typ-3-Spaß macht weder währenddessen noch in der Erinnerung Spaß, ist aber eine gute Geschichte...

Sich 13 Stunden lang von den Wellen hin und her schütteln zu lassen und bei Nacht und Starkwind in die Gironde einzulaufen ist - wenn es wie heute bei uns alles gut klappt - ein klarer Fall von Typ-2-Spaß. Währenddessen eher ungemütlich aber sehr befriedigend, wenn es geschafft ist! Bis wir im Bett sind ist es 3:00 Uhr morgens und dann schlafen wir erst einmal aus.

Es ist immer interessant, in einem Hafen aufzuwachen, den wir im Dunkeln angelaufen haben. Als wir den Kopf aus der Luke stecken, ist es grau und windstill. Später beginnt es dann auch noch zu regnen.

Trotzdem bauen wir nach dem Mittagessen (das wir sehr kurz nach dem Aufstehen eingenommen haben) unsere Fahrräder auf. In den letzten Wochen hatten wir fast nur sonnige Tage, aber heute kommt das Regencape zum Einsatz. Gleich der erste Weg führt zu USHiP, einem Schiffsausrüster, direkt am Hafen, wo wir eine neue Winschkurbel erwerben (die alte ist heute Nacht über Bord gesprungen) und einen neuen Herd bestellen (das Modell von 1984 schwächelt langsam).
Dann suchen wir uns noch einen Café - mit Sonnenschein bestimmt sehr nett, aber heute bei Nieselregen eher verlassen und feucht...
Auf dem Rückweg machen wir noch einen Einkehrschwung in den Supermarkt, weil die Brotsituation an Bord unbefriedigend ist. Sonst brauchen wir nicht mehr viel, weil wir am Dienstag für eine Halbzeitpause zurück nach Deutschland fahren werden. Jetzt vom Hafen aus sieht die Gironde ganz ruhig und friedlich aus (siehe Titelbild). Auch der Regen verzieht sich langsam und am Abend schaut die Sonne schon wieder durch die Wolken. Insgesamt sind wir sehr froh, dass wir gestern gesegelt sind und nicht heute im Regen motoren mussten!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.